Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nuhr, Dieter

Nuhr, Dieter

Titel: Nuhr, Dieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuhr auf Sendung
Vom Netzwerk:
mindererwünschten
Verhaltenskonstitution«.
    Der Psychologe fragte bisher immer zuerst nach dem Hintergrund
der Tat.
    Hat der Mörder vielleicht gar nicht aus Geldgier gemordet,
sondern bloß, weil er keine Kohle mehr hatte? Man weiß es ja oft nicht.
    Ein guter Psychologe sieht im Verscharren der Leiche in
der nahegelegenen Grünanlage wenigstens den guten Willen zu Ordnung und
Sauberkeit, also einen guten Kern, eine positive Sozialprognose. Und nun
sollen solche Menschen einfach böse sein? Schwer zu glauben. Wissenschaftler
sind komische Kauze ...
     
    Bewegung 23. März 2005
    Der Grundzustand des Menschen ist Bewegung. Er kommt zur
Welt, bewegt sich und lebt wieder ab. Es handelt sich um einen seltsamen
Prozess, zumal der Sinn des Ganzen bislang völlig ungeklärt ist. Wir wissen
nicht, warum wir uns bewegen, aber einfach sitzen zu bleiben, hat ja auch
keinen Zweck, also bewegen wir uns.
    Darum verwendet der Mensch einen Großteil seiner Energie
auf die Lösung des Problems, wie er vorwärts kommen könnte. Er setzt sich ins
Auto, fährt ein paar Meter, und plötzlich steht er wieder, meist mit Tausenden
anderen, die sich auch gern bewegen würden. Der Mensch regt sich auf, weil er
eigentlich in Urlaub fahren will, und ist dann beleidigt, weil alle auf einmal
in Urlaub fahren wollen. Dies ist auch ein grundsätzlicher Wesenszug des
Menschen: Er regt sich darüber auf, dass die anderen das Gleiche tun wie er,
nämlich dumm im Weg herumstehen.
    Schließlich beherrscht der Mensch nichts so gut, wie dumm
herumzustehen. Er will sich ja auch gar nicht bewegen. Im Grunde sitzt er im
Wagen, weil er sich nicht selbst bewegen will, er will bewegt werden. Das endet
oft in totalem Bewegungsmangel. Am Ende liegt man in der Kiste, und dann bewegt
sich gar nichts mehr.
    Solange man sich bewegt, lebt man. Das hat schon Aristoteles
erkannt. Der meinte damals auch, alles bewege sich, außer Gott. Aristoteles
glaubte, jede Bewegung bedürfe jemandes, der sie anstoße. Also müsse etwas
existieren, was die erste Bewegung verursacht hat, ein unbewegter Beweger.
Aber dass sich alles bewegt und nur Gott im Stau steht, kann auch nicht die
Erklärung des Universums sein.
    Man muss zu Aristoteles' Entschuldigung sagen, dass er
noch gar keinen Stau kannte. Dort verhält es nämlich genau umgekehrt. Da ist
vorn einer, der sich gerade noch bewegt, und dahinter sind lauter Unbewegte. Im
Stau ist es im Grunde schon wie in der Kiste, wenn man davon absieht, dass man
sich in der Kiste nicht mehr aufregen kann. Es wäre ja auch komisch, wenn bei
der Beerdigung aus der Grube plötzlich eine letzte Lebensäußerung erklänge:
»Fahr endlich!« Da wäre die Verwandtschaft sicher irritiert.
     
    Nazis 3. April
2004
    Gerade frage ich mich, ob diese Zeilen hier möglicherweise
auch irgendwelche Rechtsradikalen, also Nazis, lesen werden. Ich meine Leute,
die bei den nächsten Wahlen NPD wählen wollen, und ich frage mich das, weil die
Sätze aus teilweise mehr als vier oder fünf Wörtern bestehen, weshalb die
Lektüre für solche Leute ja gar keinen Sinn hätte. Sollten Sie also Nazi sein,
legen Sie das Buch besser zur Seite, sonst ärgern Sie sich nachher: »Hab öch
wöder nöchts vörstandön! Bön öch dönn blöd ...?« Oh ja! Mit Sicherheit. Das ist
ja die Grundbedingung für das Nazisein.
    Viele sind ja der Ansicht, das seien gar nicht alles
Nazis, die da NPD wählen. Angeblich wählen viele auch aus Protest die Nazis. Da
frage ich mich, wie blöd man eigentlich dafür sein muss. Selbst wenn man
wirklich verbittert ist... Wenn ich ein Schwein bin und ich bin mit meinem
Bauern unzufrieden, dann wähle ich doch nicht aus Protest den Metzger.
    Neulich habe ich jemanden mit Bomberjacke und aufgenähtem
schwarzem Stofffetzen mit weißer Schrift gesehen: »Weiß und stolz.« Da frage
ich mich durchaus, worauf der stolz ist. Es ist ja nicht gerade ein ungeheurer
Verdienst, weiß zu sein, zumal der sogar so weiß war, dass sein Teint dem einer
Klofliese ähnelte. Mordshässlich war der Kerl. Das ist dann auch oft auch die
Ursache für das Nazisein. Auf irgendwas muss man eben stolz sein, auch wenn man
aussieht wie eine Klofliese. Dann ist man eben stolz darauf, weiß zu sein. Ich
persönlich ziehe eine gesunde Hautfarbe vor.
    Ich habe mich spontan gefragt: »Gehen Nazis eigentlich
nicht ins Sonnenstudio?« Bei der Wehrsportübung wird man doch sicher auch
braun. Ist man dann als Nazi auch stolz darauf, braun zu sein? Oder geht das
schon zu sehr ins

Weitere Kostenlose Bücher