Nuhr, Dieter
Ende eh nicht halten wird.
Das Leben selbst hält oft nicht, was es einem einst
versprochen hat. Irgendwann, so wird einem versprochen, wird man erwachsen,
findet die große Liebe und das große Geld. In Wirklichkeit aber bleibt man
meist kindisch und endet verlassen und pleite.
Angesichts dessen ist es schön, dass es wenigstens noch
einige Versprechen gibt, auf die man sich verlassen kann. Mir etwa hat mein
Arzt versprochen, dass ich sehr alt würde. Er konnte nicht ahnen, wie schnell
es gehen würde.
Aber so ist das mit den Versprechen. Versprechen weist
immerhin auch schon vom Wort her eine große Übereinstimmung mit dem Verb
»versprechen« auf, im Sinne von »versehentlich etwas Falsches sagen«.
Man verspricht sich einfach wahnsinnig schnell, und schon
ist es versprochen. Das einzige Versprechen, das das Leben für uns bereithält
und das auch nie gebrochen wird, besteht ja darin, dass garantiert irgendwann
Schluss ist. Da steht denn der Schnitter mit der Sense in der Tür und grient:
»Ich habe dir ja versprochen, dass ich komme ... höhö!« Und selbst wenn man
dann beteuert: »Ich bin gar nicht zu Hause! Kommen Sie am besten morgen
wieder!«, der glaubt einem nicht. Der kennt sich eben aus mit falschen
Versprechungen.
USA 5. Juli
2005
Es sind Sommerferien, Reisezeit. Und ich bin gerade in Amerika.
Faszinierend ist hier, dass nichts in unserem Sinne alt ist. Wenn wir »alt«
sagen, reden wir etwa von den alten Ägyptern. Für den Amerikaner ist das
Älteste, was er sich vorstellen kann, ein Chevy aus den 60ern. Die Menschen im
entsprechenden Alter erkennt man auch nicht mehr als Alte, weil der Amerikaner
zur Runderneuerung neigt. Die große Sängerin Cher hat auf die Frage nach ihrem
Alter einmal geantwortet, dazu könne sie nichts sagen, weil sie nicht wisse,
was gemeint sei, das Durchschnittsalter der Einzelkomponenten oder die Laufzeit
der letzten Originalteile?
Das ist Amerika. Wenn sich erst das Hirnlifting
durchsetzt, wird es völlig neue philosophische Fragestellungen geben. Beispiel:
Wenn mein Hirn irgendwann einmal in den Körper eines 20-jährigen Dessousmodells
verpflanzt wird, wer bin dann ich? Und könnte ich dann vielleicht alles sehen,
was mit mir keiner machen wollte, als ich 20 war? In Amerika geht das wahrscheinlich.
Dort ist die Veränderung einfach am schnellsten. An der
Stelle, an der heute das Empire State Building in den Himmel ragt, haben noch
vor wenigen Jahrhunderten die Tiere gegrast, bis der Indianer sie erlegte. Dann
kamen die Einwanderer und erlegten die Indianer. Das war Völkermord, aber daran
möchte der Amerikaner nicht erinnert werden. Für den Genozid sind schließlich
wir Deutsche zuständig. Nun liegt es mir fern, die Verbrechen des
Nationalsozialismus relativieren zu wollen, aber ab und zu daraufhinzuweisen,
dass auch andere gern mal Volksgruppen auslöschen, die ihnen gerade nicht in
den Kram passen, sollte erlaubt sein. Das ist auch nicht reaktionär, vor allem
wenn man wirklich verstehen will, wie Völkermord funktioniert. Es muss deutlich
werden, dass er eben nicht aus dem Volkscharakter erwächst, was nämlich einer
Denkweise entspräche, die auch Hitler gefallen hätte. Offenbar ist Völkermord
eine erschreckend selbstverständliche Option menschlichen Handelns. Das ist
die Banalität des Bösen, wie Hannah Arendt sagte.
Da hilft auch keine Hirntransplantation. Das ist in allen
Hirnen möglich. Das weiß der Amerikaner, deshalb sagt er auch: »Das kann jedem
passieren, man muss auch mal vergessen können.«
Immer noch USA 12. Juli 2005
Der Amerikaner ist unglaublich flexibel, er zieht zum Beispiel
ständig um. Die Bürger der USA bauen ihre Häuser gar nicht erst mit Keller, sie
gestalten ihre Häuser so, dass sie sie mitnehmen können. Bei uns ist das
anders. Wer bei uns baut, baut Stein auf Stein, mit Inthermo-Wärmedämmung und
Putzträgerplatte als atmungsaktiver Holzwandbauplatte, Wärmeschutzverglasung
U-Wert 1,1 nach Wärmedämmungsvorschrift und Thermoverglasung mit »warmer
Kante« ohne Kältebrücke am Rand, entsprechend dem Leitfaden für Innenraumlufthygiene.
Darum hat der Bauherr bei uns, schon aufgrund der kostenintensiven
Bauvorschriften, sein Leben komplett an die Bank verpfändet. Und bei Jobverlust
oder Krankheit verwandelt sich der Kreditnehmer zum persönlichen Besitz des
Geldinstitutes und wird in Zukunft im Notfall Organe spenden gehen müssen.
Schließlich ist die unter Studenten übliche Blutspende auch bei
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