Nuke City
Stirn. Von dort strichen seine Lippen abwärts, die sanfte Rundung ihres Ohrs entlang, über ihre Wange, unter das Kinn und tiefer, unter ihre Brüste, und dann zärtlich wieder hinauf über die harten dunklen Warzen. Und er tat es langsam, bedächtig, dachte nur an sie und ihren Körper. An jeden Zentimeter. Ignorierte alles andere. Vergaß alles andere. Solange er konnte.
18
Er erwachte am nächsten Morgen. Beth und er lagen behaglich unter dem Laken, geschützt vor der morgendlichen Kälte, die sich eingeschlichen hatte. Das Licht, das durch das teilweise geöffnete Fenster fiel, war von einem hellen Blaugrau und versprach einen weiteren Sonnentag. Er atmete tief ein und blinzelte ob der unerwartet grellen Helligkeit. Beth bewegte sich ebenfalls, indem sie sich ein wenig von ihm wegdrehte und einen unverständlichen Laut ausstieß. Er verlagerte seinen Arm, bis dieser etwas bequemer auf ihrem Rücken lag. Für einen langen und sehr seltsamen Augenblick war er in einem körperlichen und emotionalen Limbus gefangen, in dem drei Jahre einfach verschwunden und alberne Fehler verziehen waren. Es war vertrautes Gelände, ein sicherer Ort, wo er ihn nicht vermutet hätte...
Vertrautes Gelände. Ein sicherer Ort. Da, wo er ihn nicht vermutet hätte.
Da wußte Kyle, wo er nach Beth' Schwester und Mitch Truman suchen mußte.
Er löste seine Arme und Beine behutsam aus der Verstrickung mit Beth, wobei er versuchte, sie nicht zu wecken. Sie schlief weiter und hörte nichts, als er seine Hose anzog und leise nach unten ging. Grendel betrachtete ihn aus einer strategisch günstigen Position in der Nähe der zur Straßenfront gehenden Fenster, unternahm aber weiter nichts, als ihn mit weit aufgerissenen Augen anzustarren.
Er schlich sich in Natalies Spielzimmer, wobei er leiser als nötig vorging. Ihr Computer bootete schnell, indem er zuerst das wirbelnde, prismatische Apple- Logo und dann die schwebende Icon-Benutzeroberfläche zeigte, die Natalie vor einem Jahr mit seiner Hilfe und der eines Programms entworfen hatte. Er ignorierte sie und startete statt dessen eine Schlüsselwort-Programmsuche. Auf der Liste, die daraufhin erschien, fand er das Programm, das er suchte, und lud es.
Augenblicke später befand er sich im Datennetz der öffentlichen Bibliothek. Er durchforstete die Archivabteilung und verlangte Zugang zu allen Chicagoer Telekom- und Adressenlisten der letzten zehn Jahre. Er kopierte die Listen in den Computer, stieg dann aus den Archiven aus und rief die gegenwärtige Telekom- und Adressenliste auf, die er ebenfalls kopierte. Dann startete er in diesen elf Dateien eine allgemeine Suche nach Einträgen der Universellen Bruderschaft.
Das Suchprogramm fand zweihundertneunzehn Einträge. Er bearbeitete die Liste, indem er alle doppelt vorkommenden Einträge ausschließen ließ, und wies das Programm anschließend an anzuzeigen, welche Einträge nicht doppelt vorkamen.
Neunundzwanzig Einträge tauchten insgesamt mindestens zweimal auf, sechs nur einmal.
Fünfunddreißig Orte, die er überprüfen mußte. Einer trat jedoch deutlich hervor - teils wegen seiner Absurdität und teils deshalb, weil die Adresse seit acht Jahren nicht mehr aufgeführt wurde, obwohl ihre Telekomnummer in jedem Verzeichnis angegeben war. Das Verkaufszentrum der Universellen Bruderschaft hatte sich an der Ecke Madison und Sangamon befunden, nicht weit von der Interstate 90/94 entfernt. Die anderen Orte bedurften ebenfalls der Überprüfung, aber Kyle ging davon aus, daß ein alter, vertrauter Ort, der seit acht Jahren nicht mehr in den Verzeichnissen auftauchte, einen vorderen Platz auf seiner Liste einnehmen sollte.
Er importierte die Adressen in die Subroutine für Anzeigen und Kartografie und verlangte einen Ausdruck aller Orte auf einem Chicagoer Stadtplan. Nachdem das Gerät die Karte ausgeworfen und er sich vergewissert hatte, daß alle Adressen eingezeichnet waren, verließ Kyle das Bibliothekssystem und schaltete den Computer aus, der Kyle sehr höflich einen guten Tag wünschte, während dieser, bereits in die Karte vertieft, das Zimmer verließ.
Kyle erwog einen Augenblick, nach oben zu gehen und wieder zu Beth ins Bett zu schlüpfen, bevor er die Orte auf der Liste astral auskundschaftete, entschied sich dann jedoch dagegen. Er wollte nicht, daß sie aufwachte und ihn dann scheinbar bewußtlos neben sich liegen sah. Statt dessen ging er mit einem Blatt Papier und einem Marker ins Wohnzimmer. Dort setzte er sich auf
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