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Nuke City

Nuke City

Titel: Nuke City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Dowd
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Großmutter gekauft hatten. Sie versuchte eine zierliche Glasfigur zu drehen. Sie drehte sich einen Augenblick lang und neigte sich dann zur Seite. Doch sie fing die Figur immer auf, bevor sie zu Boden fiel, und drehte sie dann erneut.
    Sie bewegte sich nicht, aber er hörte sie sagen: »Siehst du die Farben? Die Farben wirbeln wie sie.«
    »Natalie«, dachte und sagte er, und die Tänzerin aus Glas wirbelte herum und brach das Licht, das sie einfing. Und Natalie drehte sich ebenfalls, langsamer, als sich die Figur wieder zur Seite neigte und ein Bein in das schmutzige Wasser eintauchte und es durchschnitt. Die Hälfte ihres Gesichts lächelte, strahlte vor Freude, ihn zu sehen. Die andere Hälfte kräuselte sich, da Tausende dunkler Gestalten darüber hinwegkrabbelten und -wogten. Sie wollte etwas sagen, wollte lachen oder weinen, und die Insekten fielen aus ihrem Mund und trafen die Glastänzerin, die daraufhin umfiel.
    Licht explodierte förmlich aus der Figur und zwang ihn, die Augen zu schließen und sich an einem tieferen, dunkleren Ort zu verkriechen.
    »NATALIE!« hörte er Beth schreien, während er Flügel schlagen und Luft rauschen hörte. Er streckte die Hand aus und berührte Seide, Haare, warme Haut, Nässe und dann nichts mehr.
    Glas zersplitterte, und rote und schwarze Scherben fielen rings um ihn zu Boden. Er spürte wieder die Flügel, aber diesmal waren sie dunkel und muffig. Kyle öffnete die Augen und sah den Vögel. Schwarz und schlank, aller Kraft beraubt, stechende blaue Augen in einem vom Alter runzligen Gesicht. Er hatte den Kopf ein wenig zur Seite geneigt und betrachtete Kyle, der nach ihm griff, jedoch weder seine Hand sehen noch ihn berühren konnte.
    Der Vogel flog in die Dunkelheit und hinterließ ein Licht, dessen Helligkeit Kyles Begriffsvermögen überstieg. Es war zu hell, um es anzusehen, zu stark, um ihm Einhalt zu gebieten. Es hüllte ihn ein und verzehrte ihn, und als er aufschrie, hallte seine Stimme durch die Dunkelheit, die zu ihm zurückkehrte… Als nächstes hörte er Stimmen, ganz in der Nähe, und dann spürte er den harten Druck von Händen auf sich. Er wußte, daß er aufschreien und sich schützen sollte, aber er war so müde und sein Körper so gefühllos. Er glaubte, daß sich sein Mund bewegte, obwohl er seine Stimme nicht hören konnte. Und dann hörte er sie doch, aber es war gar nicht seine Stimme, obwohl sie ganz ähnlich und sehr vertraut klang, und tief in ihm erwachte ein Lebensfunke und erfüllte ihn mit Hoffnung gegen die Dunkelheit.
    »Sei ganz ruhig«, sagte Seeks-the-Moon, »du bist jetzt in Sicherheit. Ich habe dich gefunden.«
    Kyle schlief wieder ein und träumte von leisem Gelächter.

22
     
    Er spürte einen Luftzug, der einen Essensgeruch mit sich brachte. Käse, dachte er, und vielleicht Brot. Und unter ihm spürte er etwas Weiches, und er war trocken. Kyle öffnete zögernd die Augen und blinzelte ob des Lichts, das durch die zugezogenen Vorhänge fiel. Jemand in dem Zimmer bewegte sich, und er hörte eine Stimme: »Bist du wach?« Es war Seeks-the-Moon.
    »Ich glaube schon...« Kyle erinnerte sich - oder hatte er es nur geträumt? - an ein Wirbeln und an einen kalten und nassen Ort. »Wo bin ich?« Er fühlte sich schwach und müde, aber einigermaßen gesund.
    »Eine offensichtliche Frage«, antwortete der Geist zögernd. Seine Stimme klang tief und fremd. »Du bist in irgend jemandes Haus. Ich weiß nicht, wessen.«
    »Ich nehme an, der Besitzer ist nicht zu Hause?« Kyle drehte den Kopf ein wenig und sah den Geist auf einem großen, alten Sessel sitzen, in den er tief eingesunken war. Das Licht vom Fenster warf einen hellen Streifen auf ihn, der von den Augen bis zu den Knien reichte. Er sah älter aus. Aber irgendwie schien er auch zu den schäbigen, wenigen Möbeln im Zimmer und den feinen Rissen in den Wänden zu passen. Eine offene Tür gestattete ihm einen Blick auf einen schmalen Flur und einen verblaßten, fadenscheinigen Läufer.
    Je länger Kyle Seeks-the-Moon betrachtete, desto deutlicher erkannte er, daß sich der Geist verändert hatte. Sein Gesicht wirkte älter, härter, aber die Augen waren strahlender, blauer, als er sie in Erinnerung hatte. Und seine Kleidung war auf subtile Art anders. Dunkler und abgetragener, aber gleichzeitig wirkten die Farben echter.
    »Die Besitzerin ist tot«, sagte der Geist. »Zumindest glaube ich, daß es die Besitzerin war, die ich im Flur gefunden habe.«
    »Die Insektengeister?«
    »Nein,

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