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Nukleus

Nukleus

Titel: Nukleus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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klirrte gegen den Rand seines Glases, als er dem Rest des Whiskeys zu Leibe rückte.
    »Ich hätte nie sagen können, was es war. Irgendetwas an ihr hat mich bis aufs Blut gereizt, ihre Scharfzüngigkeit, mit der sie mich kritisiert hat … kritisiert und infrage gestellt und manchmal lächerlich gemacht, als Mann, als Polizist. In diesen Momenten hat sie mich an den Rand des Wahnsinns getrieben und darüber hinaus. Wir hätten Eintrittskarten für unser Leben verkaufen können, als wär’s eine Geisterbahn gewesen – nichts als Gebrüll und zerschmettertes Geschirr und hin und wieder ein Gespenst, das einen anspringt. Anni blieb einem nichts schuldig, sie wusste, wie man rausgibt, Junge, Junge. Wenn sie mir zugesetzt hat, habe ich so lange durchgehalten, wie ich konnte, dann habe ich zugeschlagen. So lange, bis sie aufgehört hat oder bewusstlos war. Trotzdem kriege ich sie nicht aus meinem System. Ich denke dauernd an sie. Sie war die Beste.«
    »Deswegen haben Sie ihr auch nach der Entlassung aus dem Krankenhaus weiter nachgestellt und sie überwachen lassen«, sagte Ella. »Weil sie Ihnen noch so viel bedeutet.«
    »Das geht nicht in Ihren Kopf, was?« Cassidys Augen zogen sich zusammen. »Es war meine Schuld, dass sie plötzlich so verletzlich war. Ich musste irgendetwas tun, um es wiedergutzumachen. Sie irgendwie beschützen. Nur deswegen habe ich schließlich gemerkt, dass sie in eine gefährliche Situation geraten ist.«
    »Wie?«, fragte Ella. »Wie haben Sie das gemerkt? Indem Sie in ihre Praxis eingedrungen sind?«
    »Ich habe ihr nicht nachgestellt, ich habe sie bewacht. Das sollten Sie genauso wenig verwechseln.«
    »Ich verwechsle die ganze Zeit irgendwelche Dinge. Liebe und Treue, zum Beispiel. Aber «, jetzt beugte Ella sich vor, »aber falls Sie darauf hinauswollen, dass ich Sie informiere, wenn ich was von ihr hören sollte … Ich verpfeife meine beste Freundin nicht. Eher lasse ich mir die Zunge rausreißen und alle zehn Finger abschneiden. Sie ist der wichtigste Mensch in meinem Leben, so was wie meine Familie. Ohne sie wäre ich vielleicht schon nicht mehr am Leben.«
    »Ohne mich wären Sie auch nicht mehr am Leben«, sagte Cassidy. »Niemand redet von verpfeifen. Ich suche Anni, um sie zu beschützen, nicht um sie einzubuchten. Ich muss sie vor denen finden, wer immer sie sind. Und wissen Sie, wovon es abhängt, ob ich Erfolg habe?«
    »Von Sonnenflecken?«
    »Dass Sie mir helfen, davon hängt es ab.«
    »Wie soll das gehen?« Ella schoss plötzlich eine Hitzewelle in den Kopf, die nicht vom Whiskey herrührte. »Bin ich jetzt nicht verbrannt ? Das nennt man doch so, wenn die Tarnung von jemandem aufgeflogen ist? Verbrannt? Nachdem Sie mich vorhin da draußen gerettet haben? Und außerdem«, ihre Stimme klang fern und ganz anders als gerade eben noch, »und außerdem … machen Sie mir Angst, DI Cassidy …«
    »Weil Sie intelligent sind«, sagte Cassidy. Die Worte hallten nach, bekamen ein Echo. Weil Sie intelligent sind. Weil Sie intelligent sind. Ellas Herz schien sich zusammenzuziehen, bis es nur noch ein kleiner glühender Punkt war.
    »Was ist mit Ihnen, Ella? Geht es Ihnen nicht gut? Verdammt, Sie kippen mir doch nicht um?«
    Sie spürte, wie sie zu fallen drohte, aber es gelang ihr, sich an der Tischkante festzuhalten. Die Bank, auf der sie saß, schwankte. Die roten Glühbirnen schienen sich zu verdunkeln, dafür glitzerten Cassidys Augen wie Eis, als die Schmerzen im Hals und der Brust jählings zurückkehrten. »Ich bin nicht betrunken«, flüsterte Ella. »Es ist nur …«
    »Es war alles ein bisschen viel heute, ich weiß.« Er griff in die Außen tasche der Lederjacke, holte ein Plastikdöschen heraus und entnahm ihm eine grüne Pille, die er vor sie auf den Tisch legte. »Hier, schlucken Sie die.«
    »Was ist das?«
    »Gut gegen Schmerzen.«
    »Habe ich noch nie gesehen. Wie heißt es?«
    »Der Name wird Ihnen nichts sagen. Vertrauen Sie mir.«
    »Ihnen vertrauen?«
    Er holte eine zweite Pille heraus und sagte: »Ich nehme auch eine, damit Sie sehen, dass sie harmlos ist.«
    Nichts, was Sie tun, ist harmlos, DI Cassidy. Aber ich darf nicht umkippen. Ich muss wach bleiben, klar im Kopf, und ich will, dass die Schmerzen aufhören.
    Cassidy nahm die grüne Pille und spülte sie mit Whiskey runter. Ohne länger zu überlegen, tat sie es ihm nach. Fast augenblicklich ließ der Druck hinter der Stirn nach, dann das Brennen in der Brust. Die Bank hörte auf zu schwanken, und die

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