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Nukleus

Nukleus

Titel: Nukleus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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Drogenmillionen finanzierten legalen Immobiliengeschäfte. Die Männer wenigstens. Die Frauen hocken zu Hause oder im Park mit den Kindern. Wenn Sie als Polizist durch den Neuköllner Rollberg-Bezirk oder bestimmte Straßen in Wedding oder Pankow fahren, falls Sie noch den Mumm dazu aufbringen, kommt Ihnen unser ehemaliger Senator Thilo Sarrazin wie ein romantischer liberaler Trottel vor. Und unser System ist bei der Bekämpfung dieser Krankheit ungefähr so effektiv wie siebenmal von Hand auf Samtkissen geklopfte Naturheilmittel gegen Cholera …«
    »Und was hat das alles mit dem Anschlag in der U-Bahn zu tun?«, warf Ella gereizt dazwischen. Sie war so müde, dass sie kaum noch die Augen offen halten konnte.
    Hagen sah sie einen Moment lang an, dann legte er seinen Parka auf die frisch bezogene Trage, die neben der Tür zu Julians Büro stand, und sagte: »Es ist vielleicht etwas weit hergeholt, aber ich habe mich gefragt, ob es nicht vielleicht ein Versuch war, Präsident Halil an seiner verwundbarsten Stelle zu treffen.«
    »Sie meinen, ein rivalisierender Clan sprengt einen ganzen U-Bahn- Wagen in die Luft, um seine Tochter zu töten?«, fragte Ella.
    »In meinem Beruf muss man jede Möglichkeit in Betracht ziehen. Glauben Sie …«
    »Ich glaube gar nichts. Ich habe nur die Opfer versorgt.«
    »Wissen Sie, ob der Attentäter irgendetwas gerufen hat? ›Allahu Akbar‹, zum Beispiel, oder was anderes in der Art?«
    »Ich war ja nicht dabei«, sagte Ella. »Der Notarzt kommt bekanntlich immer erst hinterher.«
    »Aber oft vor der Polizei«, schnappte Hagen. »Könnte doch sein, dass einer der Überlebenden etwas erzählt hat, oder?«
    »Vielleicht einem meiner Kollegen. Mir nicht.«
    »Ist Ihnen sonst irgendetwas aufgefallen? Etwas, worauf Sie sich keinen Reim machen konnten?«
    »Ich bin nicht am Einsatzort, um zu dichten.«
    »Verdächtige Gegenstände, die unserer Aufmerksamkeit entgangen sein könnten? Personen, die sich ungewöhnlich verhalten haben?«
    »Da war ein Sanitäter«, sagte Ella zögernd. »Oder wenigstens jemand, der wie ein Sanitäter angezogen war. Er gehörte zu denen, die die Toten nach persönlichen Gegenständen durchsuchen. Ausweise, Visitenkarte, Briefe, mit deren Hilfe man sie identifizieren kann.«
    »Und?«
    »Er hat die Kleidung eines Mannes durchsucht – ich glaube jedenfalls, es war ein Mann – und etwas an sich genommen, das er schnell in die Tasche gesteckt hat, bevor ihn jemand dabei sehen konnte.«
    »Aber Ihnen ist er aufgefallen.«
    »Ja.«
    »Konnten Sie erkennen, um was es sich gehandelt hat?«
    »Nein. Er war zu weit entfernt, und ich habe gerade versucht, Shirin zu reanimieren.«
    »Haben Sie irgendeinen Verdacht?«
    »Vielleicht war es ein Handy«, sagte Ella. »Keine Ahnung.«
    »Ein Handy, ja, könnte sein. Diese Dinger halten ja heutzutage alles Mögliche aus. Und was hat er dann damit gemacht? Hat er es abgegeben? Hat er es behalten?«
    »Das habe ich nicht gesehen. Er hat mir nur einen merkwürdigen Blick zugeworfen …«
    »Inwiefern merkwürdig?«
    »Als wollte er mir etwas sagen.«
    »›Sag niemandem, was du hier gesehen hast!‹ So nach dem Motto? Halt den Mund oder du bist tot?«
    »Nein, der Blick war eher ängstlich, als wollte er sagen: Verschwinde von hier, bevor es zu spät ist.«
    »Sie meinen also, er könnte Sie gewarnt haben. Und dann?«
    »Dann habe ich ihn aus den Augen verloren, weil Shirin mir unter den Händen wegzusterben drohte.«
    »Und Sie haben ihn auch später nicht mehr wiedergesehen?«
    »Doch, als er in meinen Einsatzwagen sprang und auf der Fahrt hierher versucht hat, sich das Leben zu nehmen.«
    »Und das erzählen Sie mir erst jetzt?« Er schüttelte den Kopf. »Wie kam es denn dazu?«
    Ella erschien die ganze Szene auf einmal selbst völlig irreal. »Ich weiß es nicht. Er ist zu uns in den Wagen gestiegen, als wir schon losfahren wollten. Er hat nichts gesagt. Hat nur dagesessen und mich angestarrt. Ich bin ziemlich sicher, er stand unter Drogen – Heroin, LSD oder Crystal Meth. Und dann hat er plötzlich ein Skalpell aus der Jacke gezogen und versucht, sich die Halsschlagader aufzuschneiden.«
    »Was Sie verhindert haben.«
    »Ja.«
    »Irgendeine Ahnung, warum er sich dafür gerade Ihren Wagen ausgesucht hat?«
    »Nein.«
    »Haben Sie ihn vorher schon einmal gesehen?«
    »Nein. Noch nie.«
    »Und er hat nichts gesagt? Die ganze Zeit nichts?«
    »Doch. Er sagte: ›Ich bin allein.‹«
    »Was könnte er damit gemeint

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