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Nukleus

Nukleus

Titel: Nukleus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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gegen die Wand, und noch immer passierte das alles wie im Verlauf eines einzigen Herzschlags, bis der endlose Schrei jäh erstarb: Der Sanitäter prallte gegen den Polizisten, krallte die Finger der freien Hand um seinen Arm und vergrub die Zähne in die Halsschlagader – wie ein Vampir –, dicht über dem Hemdkragen – wie ein Zombie. Aber er trank das Blut nicht, er verbiss sich nur in Haut und Fleisch, und das Blut, das er nicht trank, quoll und spritzte aus seinen Mundwinkeln, und dabei hielt er die Handykamera von oben auf Hagen gerichtet.
    Von der Wucht des Zusammenpralls taumelte Hagen zurück, verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden, wo er unter dem Sanitäter liegen blieb. Die Pistole flog ihm aus der Hand und landete vor Ellas Füßen, und noch immer hingen die Schreie in der Luft, und jetzt – gleichzeitig – merkte Ella, dass es die Schreie von Sascha und den Feuer wehrmännern waren.
    Der Sanitäter sprang auf, am ganzen Leib zitternd. Seine Lippen, die Zähne, das Kinn, alles glitzerte rot, während er erst Ella, dann die Feuerwehrmänner und schließlich wieder Ella anstarrte, ein wildes Tier, das bei seiner Beute überrascht worden war. Hagen lag zuckend vor ihm auf dem Boden, mit weit aufgerissenen Augen, die zur Decke hochstarrten. Seine Hände schlossen und öffneten sich wie mechanische Klauen, und aus der großen Wunde an seinem Hals quoll Blut in kurzen, schnellen Intervallen. Das Blut breitete sich auf dem Läufer aus, spritzte auf das ebenfalls daliegende Handy.
    Ella warf sich neben dem Oberkommissar auf die Knie und presste ihre Hände auf die Wunde an seinem Hals. Ihre Finger rutschten immer wieder ab, weil er sich unter ihr aufbäumte. Der Druck des hervorschießenden Blutes ließ schon nach, und sie konnte sehen, dass er starb.
    Ich muss eine Kompresse anlegen. Wo ist die verdammte Tasche?
    Kornack stürzte zu dem Metallkanister an der Wand, hob ihn hoch und kippte sich den Inhalt über Kopf und Schultern. Auf einmal war der Gestank von Benzin überwältigend, und dann – gleichzeitig – spritzte er es in weit ausholenden Schwüngen über Ella und Hagen. Der scharfe Gestank verschlug Ella den Atem, sie spürte die Flüssigkeit in Gesicht, Haaren und Kleidung. Ihre Hände waren nass, und Hagens Gesicht war auch nass – Wo sind die Feuerwehrmänner? Warum tun die nichts? –, und gerade, als sie aufspringen wollte, schmetterte der Sanitäter ihr den leeren Kanister so heftig gegen den Kopf, dass sie einfach umkippte und nichts mehr hörte oder fühlte.
    Wie gelähmt lag sie da und sah, wie er in die Küche rannte. Einen Moment lang – gleichzeitig – flackerte die ganze Küche auf, wurde hell wie von einem Wetterleuchten, und der Sanitäter tauchte wieder auf, lichterloh brennend. Fast lautlos kam er herausgerannt, mit großen Sätzen und ausgestreckten Armen, die wie lodernde Flügel in der Luft schlugen, eingehüllt in Flammen. Ella lag auf der Seite, sah, wie er auf sie und Hagen in ihrer Lache aus Benzin und Blut zugerannt kam, die Hitze versengte ihr fast das Gesicht, und sie kroch weg, krabbelte so schnell sie konnte, auf Händen und Knien.
    Auf einmal änderte Kornack die Richtung und begann ziellos hin und her zu laufen, umsäumt von brennender Luft. Die Flammen folgten ihm wie die flatternde Mähne eines fliehenden Pferdes. Eine oder zwei Sekunden später prallte er gegen eine Wand, kippte um und blieb einfach liegen und brannte und wurde schwarz, schwärzer als der Fleck, den er auf der Wand hinterlassen hatte.
    Langsam richtete Ella sich auf. Im Kopf hatte sie ein Gefühl, als triebe jemand mit hämmernden Schlägen einen Nagel durch den Knochen über dem linken Ohr. Ihre Nase lief, und die Augen trän ten. Sie wischte sich das Gesicht mit dem Unterarm ab. Der Stoff ihres Hemdes war benzingetränkt. Sie entdeckte Sascha an der Wand, wo der Kanister gestanden hatte. Zusammengesunken kauerte er da und schien nicht begreifen zu können, was er gerade erlebt hatte. Während sie ihn ansah, kehrte allmählich ihr Gehör zurück.
    Einer der Feuerwehrmänner hatte in einem Kochtopf Wasser aus der Küche geholt und schüttete es auf den reglosen daliegenden Sanitäter. Zischend flackerten die letzten Flämmchen noch einmal auf, dann geisterten sie gleich bläulichen Irrlichtern über den schwarzen Körper, bevor sie erstarben. Dampf stieg hoch und hing einige Sekunden wie Wattefetzen in der Luft. Es roch jetzt sehr stark nach verbranntem Fleisch und versengten

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