Nukleus
angerufen, und Oberkommissar Hagen wollte, dass wir uns hier treffen und zusammen hinaufgehen. Erst dachten wir, die Wohnung wäre leer, aber dann entdeckte ich das brennende Gas und gleich darauf einen seltsamen bläulichen Fleck am Ende des Korridors …«
»Was für einen Fleck?«
»Es war Kornacks Gesicht. Er kauerte da und starrte auf sein Handy.«
»Als er sie anrief und sagte, er würde etwas tun, hat er da gesagt, was? Was wollte er tun?«
»Das hat er nicht gesagt.«
»Was hatte Hagen überhaupt damit am Hut?«, fragte Abdallah. »Warum haben Sie ausgerechnet ihn angerufen?«
»Der Mann in der Wohnung war der Sanitäter, den ich gestern nach dem Anschlag auf dem Bahnsteig gesehen habe, wie er das Handy des Attentäters an sich …« Ella sprach nicht weiter, schloss die Augen. »Reden Sie denn nicht miteinander? Tauschen Sie Ihre Ermittlungsergebnisse nicht aus, wenn Sie zusammen an einem Fall arbeiten?«
»Manchmal sofort, manchmal später. Irgendwann bestimmt. Aber bis es so weit ist …« Er zuckte mit den Schultern und hielt kurz mit dem Kauen inne. »Hagen tut, was Hagen tut, und Abdallah tut, was Abdallah tut. Offenbar war Ihr Sanitäter bisher nicht wichtig genug für meinen Kollegen, um mit mir darüber zu reden. Haben Sie eine Erklärung für sein Verhalten – als Ärztin, meine ich?«
»Hagens oder Kornacks?«
»Wer ist Kornack?«
»Der Mann oben in der Wohnung«, wiederholte Ella, eine Spur gereizter. »Der uns angegriffen hat.«
»Den meine ich.« Abdallah nickte dankbar, bevor er die Nähmaschine in seinem Mund wieder anwarf. »Obwohl er genau genommen nicht mehr oben in der Wohnung ist, sondern in Silberfolie verpackt auf dem Weg in die Gerichtsmedizin. Aber ja, wie erklären Sie sich seinen Angriff? Kam er überraschend?«
»Wenn er nicht überraschend gekommen wäre, dürfte Hagen jetzt wahrscheinlich noch leben.«
»Stimmt, da haben Sie recht. Glauben Sie, er hat Sie in seine Woh nung gelockt, mit der Absicht, Sie zu töten? Oder sich vor Ihren Augen umzubringen?«
»Ich weiß nur, dass er schon einmal versucht hat, sich in meiner Gegenwart das Leben zu nehmen.«
»Ach ja? Wann war das?«
»Gestern, als ich Shirin in die Klinik gebracht habe. Er ist in den RTW gesprungen und hat versucht, sich mit einem Skalpell die Halsschlagader aufzuschlitzen. Es ist mir gerade noch gelungen, ihn daran zu hindern.«
»Und dann? Was ist dann passiert?«
»Er ist aus dem Wagen gesprungen und weggelaufen. Er wirkte völlig unzurechnungsfähig, verzweifelt. Ja, verzweifelt – eine verlorene Seele.«
Nein, nicht wie eine verlorene Seele, dachte sie, mehr wie ein Wahnsinniger. Wie ein Besessener.
Abdallah nickte, als wären verzweifelte, verlorene Seelen seine angeheiratete Familie. »Und dann hat diese Seele Sie angerufen und zu sich in die Wohnung bestellt, ja? Und als Sie eintrafen, haben Sie da etwas getan – Sie oder einer der anderen –, was dazu geführt hat, dass er dermaßen außer sich geraten ist?«
Ella schüttelte den Kopf und spürte jetzt einen dumpfen Schmerz unter der tauben Stelle über dem linken Ohr, wo sie der Sanitäter mit dem Benzinkanister getroffen hatte. »In seiner Küche sind mir ein paar Utensilien aufgefallen, die nahelegen, dass er Crack oder Meth geraucht hat …«
»Stimmt, das Chemielabor für den kleinen Drogenkoch, das haben wir auch gefunden. Trotzdem. Selbst wenn er unter Meth stand … Die Wucht seines Angriffs – ich habe schon mit Ihrem Kollegen und den Feuerwehrmännern gesprochen, die mit Ihnen in der Wohnung waren – lässt doch darauf schließen, dass sich ein ungeheurer Druck in ihm aufgestaut haben muss. Haben Sie dafür irgendeine Erklärung?«
»Er hatte Angst. Er fühlte sich verfolgt. Vielleicht wurde er es auch wirklich. Er sagte, er würde beobachtet … sie würden ihn beobachten. Ihn und mich auch. Sie würden vor seinem Haus warten.«
»Und? Haben Sie jemand gesehen, als Sie angekommen sind?«
»Nein, aber wenn jemand da war, hat er sich vielleicht verdrückt, als Hagen aufgetaucht ist. Er war vor mir hier.«
»Ach, und hat dieser – wie heißt er, Kornack? – auch gesagt, von wem Sie beide verfolgt und beobachtet würden?«
Von zwei Männern in einem schwarzen BMW Touring, dachte Ella, die vor meinem Haus gewartet haben, als ich es heute Morgen verlassen habe. »Nein. Immer nur ›sie‹ oder ›die‹. Einmal sagte er, es wären unsere Freunde. Ich dachte, er meine vielleicht Halil Abou-Khans Leute.«
»Wie kam er
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