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Nukleus

Nukleus

Titel: Nukleus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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Martin-Luther-Straße waren bereits mehr Autos unterwegs – früher Berufsverkehr. Ella musste dichter aufschließen, um den BMW nicht zu verlieren. Sie wechselte von der rechten in die mittlere Spur. Abrupt scherte ein Lieferwagen vor ihr ein, und sie konnte den BMW nicht mehr sehen. Sie kehrte in die rechte Spur zurück und sah, dass der BMW auf die linke Spur gewechselt hatte. Sie bremste scharf, wartete eine Lücke in der mittleren Reihe ab und zog den Karmann ganz nach links, ohne viel auf das wütende Hupen hinter ihr zu geben.
    Eine Baustelle stoppte den Fluss der Fahrzeuge kurz vor der Ho henstauffenstraße; rote Bremslichter bildeten einen blinzelnden Schwarm. Die Scheibenwischer verrieben den Dreck auf der Windschutzscheibe zu bunten Schlieren. Ella klappte das Handy auf. Sie holte das Foto von dem Mann, den sie verfolgte, auf das Display und vergrößerte sein im Halbprofil festgehaltenes Gesicht. Trotz der ungünstigen Lichtverhältnisse konnte man es deutlich erkennen. Ella fand, dass der Mann eigentlich nicht wie ein Mörder aussah. Seine Miene zeigte eher Beunruhigung und Sorge als Brutalität. Er sah auch nicht aus, als könnte er zu Halil Abou-Khans Clan gehören. Eher das Gesicht eines Sportlers, hager, wettergegerbt, bis auf einen schwachen Zug um den Mund. Als wäre er vom Leben um etwas betrogen worden, das ihm zugestanden hätte. Sie klappte das Handy zu.
    Der Schwarm der Rücklichter sickerte zähflüssig durch das Nadelöhr aus orange blitzenden Laternen an der Baustelle, aber dahinter entzerrte der Verkehr sich wieder, sodass Ella wieder etwas zurückfal len konnte. Der schwarze BMW hielt sich in der linken Spur. Der Fahrer schnippte eine Zigarette auf die Straße, wo die Glut zu kleinen Funken zersprang, die rasch erloschen. Es wurde langsam hell, am Himmel zeigten sich die ersten roten Streifen.
    Ella wechselte ebenfalls auf die linke Spur und folgte dem BMW vorbei an der Klinik am Wittenbergplatz weiter in Richtung Urania. Im Rückspiegel sah sie die hell erleuchteten Fenster eines fast leeren Doppeldeckerbusses über den Dächern der anderen Autos durch den Morgen gleiten. Auf der Gegenfahrbahn kam ihr ein Rettungswagen mit flackerndem Blaulicht entgegen.
    Sie überquerten die Lietzenburger Straße, und dahinter konnte sie schon die Grünanlagen der Urania sehen. Der Himmel war inzwischen muschelgrau, und das Licht der Straßenlaternen spiegelte sich noch im Lack der Autos, aber bis zum Asphalt reichte es nicht mehr. Der Verkehr staute sich am Ende der Tauentzienstraße, wo die ersten kantigen Sandsteinmauern und Glasfassaden luxussanierter Geschäftshäuser über die Baumkronen ragten.
    Ella hielt drei Wagen hinter dem BMW, und auf einmal wusste sie, wo die beiden Männer hin wollten. Sie folgte ihnen über die Kreuzung, folgte ihnen in die Keithstraße, folgte ihnen bis zu dem Gebäudes des LKA, vor dem die Männer ihr Dienstfahrzeug auf einem für die Polizei reservierten Parkplatz abstellten.
    Die Männer stiegen aus und gingen zum Seiteneingang des Altbaus, in dem Ella vor einem Jahr unter dem Verdacht des Mordes verhört worden war.

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    Nerin Abou-Khan saß auf der Treppe vor Ellas Hauseingang und bewegte ihren Kopf mit geschlossenen Augen zum Rhythmus der Musik in den Kopfhörern ihres iPods. Sie hatte die Hände wie zum Gebet gefaltet, um sie zu wärmen, und die Schenkel gegeneinandergepresst, aber sie zitterte trotzdem vor Kälte.
    Es war ein kühler Morgen. Auf den Büschen unter den Akazien glitzerten Spinnweben, an denen winzige Tautropfen hingen wie Perlen an einer Schnur. Der Himmel war von einem dunstigen Weißblau, und in den Kronen der Bäume zwitscherten und tschilpten ganze Schwärme von Vögeln.
    Ella bemerkte das Mädchen erst, als sie in den Schatten der Einfahrt zum Hinterhof trat. Sie hatte ihren alten Parkplatz in der Nähe der Apostel-Paulus-Kirche wiedergefunden und war das kurze Stück bis zum Haus gelaufen, ohne jemandem zu begegnen. »Nerin«, sagte sie überrascht.
    Das Mädchen reagierte nicht, bewegte nur weiter den Kopf auf und ab und hin und her. Ella berührte sie mit der Hand an der Schulter. Nerin riss die Augen auf, und ihr Kopf zuckte erschrocken zurück, als fürchtete sie, geschlagen zu werden. »Scheiße, fassen Sie mich nicht an!«, schrie sie.
    »Entschuldigung. Was machst du denn hier?«
    Nerin zog sich die iPod-Stöpsel aus den Ohren. »Was haben Sie gesagt?«
    »Ich habe gefragt, was du hier machst«, wiederholte Ella.
    »Ich dachte,

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