Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)
essen.«
»Aber in welchem Tonfall!« Sie wendete sich wieder Monty zu.
»Kennst du ein vegetarisches Restaurant, Monty?«, fragte sie betont freundlich.
Monty strahlte sie an. »Natürlich! Aber ich würde vorschlagen, wir gehen zuallererst zur Promenade. Es sei denn, Mr Gerald hat andere Pläne?« Er sah zu James, um seinen Triumph voll auszukosten. »Dann nehmen wir einen Kaffee im Hotel Negresco, und anschließend ...«
Monty hakte sich bei Sheila unter und redete munter weiter, während sie auf den Kleinbus zugingen, in dem Mr Chandan, bereit für die Stadtrundfahrt, auf sie wartete. Großartig, dachte James. Ein schwerhöriger alter Rabe, der uns die Ohren vollkrächzt. So hatte er sich den Tag mit Sheila in Nizza nicht vorgestellt.
Kapitel 7
Es war nicht James’ Art, sich gleich eine Meinung zu bilden über die Menschen, denen er begegnete. Er wusste, dass der erste Eindruck oft trog. Im Fall von Monty Miller hatte er sich jedoch ein schnelles, nicht sonderlich positives Urteil zu fällen erlaubt: geschwätzige Nervensäge. Monty führte beim Spaziergang durch die kleinen, gepflasterten Gassen Nizzas fast pausenlos das Wort, als fürchtete er, man könnte ihm im nächsten Augenblick die Zunge abschneiden – eine Vorstellung, die James immer mehr gefiel. Außerdem erwies er sich als äußerst resistent gegenüber James’ Versuchen, ihn loszuwerden. Spielend schaffte er es, Sheila für sich einzunehmen, indem er das Gespräch auf ihr Lieblingsthema lenkte – London. Obwohl Monty nicht in London lebte, ja noch nicht einmal Engländer, sondern Amerikaner war, präsentierte er sich als Kenner der Kulturlandschaft Londons, diskutierte mit zweifellos angelesenem Wissen über die neue japanische Ausstellung in der Tate Modern und erdreistete sich sogar, Sheila Tipps zu geben, in welcher Ecke von Soho es die besten Jiaozi gebe. Während Monty wichtigtuerisch herumkrächzte, suchte James nach Anzeichen von Ermüdung oder Verdruss bei Sheila. Doch im Gegenteil, sie stellte interessiert Zwischenfragen und schien ihn unbegreiflicherweise als London-Koryphäe zuakzeptieren. James versuchte zwischendurch, Sheilas Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt, auf Nizza, zu lenken. Es war zwecklos: Zu jedem Haus, zu jeder Gasse und selbst zur Strandpromenade fiel ihr irgendetwas ein, das sie an London erinnerte. Alles in allem nahm sie Nizza als kaum mehr wahr denn als kleine Schwester der großen Laufstegschönheit: ganz nett anzusehen, wirklich, aber selbstverständlich kein Vergleich zu London. Doch als sie zum Markt in der Altstadt kamen, fehlten Sheila zum ersten Mal die Vergleiche, ja überhaupt die Worte. Sie stand nur da und schaute mit offenem Mund auf die verschwenderische, bunte, liebevoll arrangierte Vielfalt an Blumen, Obst, Gemüse und Kräutern.
»Ja, wahrlich ein Fest für die Sinne«, bemerkte Monty, doch Sheila antwortete nicht, sondern ging wie magisch angezogen auf den ersten Marktstand zu. »Bin gleich wieder da!«, rief sie über die Schulter, dann war sie im Gewühl verschwunden. Auf sich allein gestellt, blieb James und Monty nichts anderes übrig, als ein paar Floskeln über Frauen und Einkaufen auszutauschen und den Small Talk mithilfe einiger Zigaretten noch etwas in die Länge zu ziehen. Endlich tauchte Sheila wieder auf, das Gesicht rot vor Begeisterung, an jeder Hand drei große Einkaufstüten.
Monty schlug vor, zum Mittagessen ins Noori’s zu gehen, aber Sheila schüttelte energisch den Kopf. »Kein Inder.«
»Komm schon, du bist Engländerin«, krächzte Monty, während er Sheila die Tüten in ihrer linken Hand abnahm. »Du magst indisches Essen. Der Hauptgrund dafür, dass ihr euch damals in Indien breitgemacht habt, war doch, dass euch eure fade englische Küche zum Hals heraushing, oder?«
Sheila schwieg missmutig, und James, der nach den Tüten in Sheilas rechter Hand griff, sah ebenfalls keinen Grund, Monty darüber aufzuklären, dass Sheila den letzten Besuch eines indischen Restaurants in keiner guten Erinnerung hatte.
»Dann bliebe das Pomme du Terre.« James bemerkte schadenfroh, dass Monty beleidigt war. »Es ist das einzige vegetarische Restaurant hier in der Gegend. Aber ich kenne es nur dem Namen nach. Es ist ein Wagnis!«
Die Einrichtung des Pomme du Terre war in Erdtönen gehalten – etwas anderes hatte James bei einem vegetarischen Restaurant dieses Namens auch nicht erwartet –, bei den klobigen Holztischen und -stühlen schien der Tischler sich zugunsten des
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