Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)
sich dann darüber aufzuregen, die hatten Sie früher schon, aber nicht so ausgeprägt, soweit ich mich erinnere. Obwohl, und da wären wir wieder beim Thema ›schwächer werden‹, vielleicht ist meine Erinnerung daran einfach nur verblasst. Worüber ich nicht unbedingt unglücklich bin.«
Sheila sah ihn wütend an. »Ihre herablassende Art hatten Sie früher schon, und die ist auch schlimmer geworden.«
»Na sehen Sie, sage ich doch«, grinste er. »Manches wird stärker mit dem Alter. Und es sind nicht immer die Eigenschaften, die andere an uns lieben.«
»Ach, Sie können mich mal.« Sheila stand auf. »Wir sehen uns morgen beim Frühstück.«
James loggte sich aus. »Warten Sie, ich komme mit.«
Sie blieb kurz stehen, dann lief sie vor ihm durch die Halle des Atriums, als gelte es herauszufinden, wie viel Lärm ein Paar Pumps auf Marmorboden erzeugen kann.
»Wieso sind Sie eigentlich ständig so sauer auf mich, Sheila?«, fragte er, als sie vor den Aufzügen standen.
»Bin ich gar nicht.« Sie sah stur auf die Leuchtanzeige.
»Sie wollten einfach abrauschen und mich dort sitzen lassen«, sagte James.
»Was wollen Sie, ich warte doch.«
»Auf den Aufzug.«
»Unsinn. Obwohl Sie einen wirklich wütend machen können. Was ich übrigens früher nicht gemacht hätte. Ich meine, doch noch zu warten.«
»Sehen Sie«, sagte James, »manches wird eben stärker, manches schwächer mit dem Alter, wie ich gesagt habe.«
»Jetzt fangen Sie schon wieder an!«
»Schon gut.« James hielt es für besser, nichts mehr zu sagen. Offenbar machte Sheila sich wirklich Sorgen um Eden und auch um ihre Mutter, und seiner Erfahrung nach suchte sich die Sorge um andere Menschen bei Frauen häufig ein wenig sozialverträgliches Ventil. Logische Argumente waren in solchen Fällen aussichtslos und nur dazu angetan, die Situation zu verschlimmern. An ihren Kabinen angekommen, verabschiedete er sich mit einem wohldosierten Lächeln, das sie in gleicher Art, mit andeutungsweise nach oben gezogenen Mundwinkeln, erwiderte.
»Schlafen Sie gut, Sheila.«
»Mh«, machte sie. Er wartete, weil er wusste, dass noch etwas kommen würde. »Machen Sie sich denn gar keine Sorgen wegen Eden?«, fragte sie schließlich.
Er seufzte. »Nein. Sie wissen ja, ich schätze die Situation nicht so dramatisch ein.«
»Und wegen des Einbruchs in Ihr Zimmer?«, fragte Sheila. »Was haben Sie deswegen unternommen?«
»Den Einbrecher erschossen, was sonst.«
»Es ist mir ernst, James. Haben Sie es Jeremy gesagt?«
»Ja, natürlich, und er war sehr ungehalten deswegen. Ich möchte jetzt nicht in der Haut des Personalchefs stecken. Jeremy vermutet ein faules Ei in der Besatzung.«
Sie zögerte. »Hätten Sie vielleicht eine Schlaftablette für mich? Ich fühle mich furchtbar aufgedreht. Mir geht das alles im Kopf herum: die Diebe in Rom, Ihr Zimmer verwüstet und zu allem noch Eden, der spurlos verschwunden ist. Wenn ich den Rest der Nacht wach liege, habe ich morgen schreckliche Kopfschmerzen.«
James nickte, verschwand kurz in seiner Kabine und kam wenig später mit einem gut gefüllten Zahnputzbecher zurück. »Trinken Sie, das wird Ihnen guttun.«
Sheila nahm den Becher entgegen und schnupperte misstrauisch. »Alkohol?«
»Trinken Sie, und Sie werden tief und fest schlafen und morgen erfrischt aufwachen.« Sheila probierte widerstrebend, trank dann aber in einem Zug.
»Mh, schmeckt gut, was haben Sie da reingetan?«, fragte sie, als sie James den Becher zurückgab.
»Verrate ich Ihnen morgen«, sagte James. »Jetzt sollten Sie lieber zusehen, dass Sie ins Bett kommen. Gute Nacht.«
»Sie tun gerade so, als könnte ich überhaupt nichts vertragen«, sagte Sheila in beleidigtem Tonfall, während sie bereits haltsuchend nach der Türklinke griff.
»Aber morgen geben Sie mir das Rezept, James. War imzweiten ...« Die Tür schloss sich hinter Sheila, während sie weiterredete, allerdings hörte James jetzt nur noch ein Murmeln.
Er ging in seine Kabine, halbwegs darauf gefasst, einen dumpfen Aufprall zu hören, falls Sheila es nicht mehr bis zum Bett schaffte, doch es blieb alles ruhig. Noch nicht einmal ihr gewohntes Schnarchen war zu hören. Vielleicht war die Dosis für ihr Gewicht doch zu stark gewesen. Er ging auf den Balkon und spähte vorsichtig durch das Balkonfenster in Sheilas Kabine. Er konnte nichts erkennen, denn sie hatte kein Licht gemacht, es war stockdunkel in ihrem Zimmer. Er zog eine kleine Taschenlampe aus seinem Jackett und
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