Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)
Gesicht. »James, Sie sind großartig!« Er wusste, dass es am besten war, bescheiden zu lächeln und nichts zu erwidern, sonst hätte sie sich womöglich zu einer Relativierung dieser Einsicht veranlasst gefühlt. »Wie sind Sie bloß darauf gekommen, dass er noch im Kino war?«
»Jamie und ich haben etwas gemeinsam«, erklärte James. »Wir gehen beide gern ins Theater. Und welcher Theaterbesucher schaut nicht mal gern hinter die Kulissen?«
Die Animateurin verabschiedete sich, wobei sie James einen misstrauischen Blick zuwarf, und ging wieder auf ihren Posten neben dem Kletterlabyrinth zurück. Sheila setzte Jamie auf dem Boden ab. »Du bist ganz schön schwer, junger Mann. Jetzt erzähl aber mal, was passiert ist, ja?« Jamie, der sich nun in Sicherheit fühlte, nickte wichtig, er genoss es, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Sie setzten sich mit dem Kleinen auf eine Bank am Rand des Kinderparadieses,und er erzählte von seinem Abenteuer, wobei er fehlende Wörter durch seine Hände ersetzte.
Eigentlich hatte Jamie die anderen Handpuppen nur einmal von der Nähe sehen wollen. Deshalb hatte er sich, während die Animateurinnen inmitten einer Traube aus kleinen Zuschauern standen und den Hai vorführten, unbemerkt hinter die Bühne geschlichen. Dort hatte er mit den Puppen gespielt und darüber nicht mitbekommen, wie es immer leiser im Kino wurde. Auf einmal war das Licht ausgegangen, und er hatte zu viel Angst gehabt, den Weg zur Tür zu ertasten und laut auf sich aufmerksam zu machen. Er wusste schließlich, dass der Hai auf der anderen Seite der Bühne lauerte. So hatte Jamie die Arme um die Beine geschlungen, das Kinn auf die Knie gestützt und geweint, ganz leise, damit der Hai ihn nicht hörte, und gehofft, dass Sheila bald zurückkommen und ihn holen würde.
Als Jamie mit seinem Bericht fertig war, hatte Sheila Tränen in den Augen. James sah den Kleinen streng an. »Einfach weglaufen, das machst du nicht noch einmal, verstanden?« Seine Stimme klang hart und unerbittlich.
»Also wirklich, James, nun lassen Sie doch«, begann Sheila, doch James reagierte nicht auf ihren Einwand und fixierte den Kleinen, der zu ihm hochsah wie die Maus zur Schlange. »Sag: Ich schwöre!« James hielt zwei Finger der linken Hand zum Schwur hoch, und der Kleine tat es ihm nach. »Ich schwöre!«, wiederholte er mit dünner Stimme. James lächelte und klopfte ihm auf die Schulter. »Gut gemacht, Junge. Und ich verspreche dir dafür, dass dein Abenteuer unter uns bleibt. Wir werden deinen Eltern nichts erzählen, du kannst dich auf uns verlassen.« Jamie strahlte, seine Welt war wieder in Ordnung. James lächelteselbstzufrieden und sah auf seine Armbanduhr. »Sehen wir mal, ob das Konzert schon aus ist.« Er vermied es, Sheila anzusehen, denn er ahnte, dass sie den kleinen Geheimhaltungstrick missbilligte.
Als sie allein mit Jamie im Aufzug waren, griff James in sein Jackett, und als er die Hand wieder herauszog, schrie Jamie vor Schreck laut auf: James hatte sich den Hai über die Hand gestülpt. »Das ist Bertram«, erklärte James. »Er will dir ›Hallo‹ sagen. Und ich soll dir sagen, du brauchst keine Angst vor ihm zu haben, er ist ganz lieb. Er hat noch nie jemanden gebissen, das war nur gespielt.« James streifte die Puppe von der Hand und hielt Jamie die Öffnung hin. Jamie stülpte sich den Hai vorsichtig über die rechte Hand und streichelte mit der linken Hand über seinen Kopf. Sheila verdrehte die Augen.
»Sagen Sie, James, haben Sie noch alle Tassen im Schrank, den Hai mitgehen zu lassen?«
»Bertram hat nur bis morgen Zeit«, setzte James bedauernd hinzu. Er wandte sich an den Hai. »Morgen Nachmittag musst du wieder auftreten, Bertram. Dann bringen wir dich zurück, ja?« Der Hai nickte.
Kapitel 19
James, Sheila und Jamie erreichten den Konzertsaal gerade noch rechtzeitig. Durch die geschlossenen Türen drangen die letzten Takte von »Nessun dorma«, dann wurde geklatscht, und einige Augenblicke später strömten die Zuhörer heraus. Das erste bekannte Gesicht war das von Monty. Er grinste über beide Ohren, als er James und Sheila entdeckte. »Lieber Himmel, das nenne ich Mut«, krächzte er. »Phyllis ist stinksauer, dass ihr nicht gekommen seid. Hoffentlich habt ihr eine gute Entschuldigung!«
Sheila hielt Jamie wie einen Schutzschild auf dem Arm, den Blick auf Phyllis gerichtet, die auf sie zurollte.
Der Rollstuhl gab, ähnlich einem rückwärts fahrenden Lastwagen, durchdringende
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