Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst
hervorzulocken. Aber so leicht würde es diesmal nicht sein.
»In Ordnung«, setzte er an.
»Nein, nichts ist in Ordnung. Sie behandeln mich von oben herab, James.«
»Nein«, beschwichtigte er, »das verstehen Sie völlig falsch.«
»Ach,
ich
verstehe es falsch? Dann liegt der Fehler wohl bei
mir
, entschuldigen Sie vielmals.«
»Nein, Sheila,
Sie
haben natürlich überhaupt nichts falsch gemacht.«
»Vielen Dank. Aber ich weiß schon,
Sie
natürlich auch nicht. Sie machen ja nie einen Fehler. Es ist ein Missverständnis.«
Die Zornesfalten waren nicht verschwunden, im Gegenteil. James atmete einmal tief durch. »Entschuldigen Sie bitte, Sheila. Sie haben vollkommen recht. Es tut mir leid.«
Sie sah ihn mit großen Augen an, und ihr Gesicht wirkte im Staunen so glatt und weich wie das eines jungen Mädchens. »Sie haben sich noch nie entschuldigt.«
»Ich … schätze es sehr, dass Sie hier sind. Ich schätze …
Sie
sehr, Sheila.« Er lächelte unbeholfen. »Sogar mein Passwort habe ich nach Ihnen benannt, nicht wahr?«
Sheila wendete sich verlegen ab, ging zum Laptop zurück und klappte den Deckel zu. »Was jetzt? Der Computer von Mrs White hat uns nicht weitergebracht.«
»Oh doch«, sagte James, »dass Sie nichts mehr gefundenhaben, passt nämlich wunderbar ins Bild. Ich gehe davon aus, dass Katie neulich wirklich niedergeschlagen wurde, und zwar von jemandem, der Mrs White drohen wollte. Der Täter wollte Katie keineswegs töten, aber er wollte Mrs White damit sagen: Wenn du etwas ausplauderst oder die Polizei einschaltest, wird deine Tochter dran glauben.«
»Sie denken, dass Mrs White erpresst wird?«
»Ich bin sogar überzeugt davon. Ich habe an diesem Abend, als Mrs White nach oben gegangen war, um Ihre Tasche aus meinem Apartment zu holen, nicht viel Zeit gehabt, aber ich habe genau gesehen, dass seit etwa einem Jahr die Abgänge vom Konto größer waren als die Einnahmen. Vor einem Jahr sind plötzlich die Abbuchungen in die Höhe geschnellt, und es ist natürlich die Frage, woran das lag. Bis dahin schien Eaglehurst ein gesundes Unternehmen zu sein. Am Morgen, nachdem Katie zusammengeschlagen wurde, hieß es dann plötzlich, es sei ein Unfall gewesen. Warum hat Mrs White über Nacht ihre Meinung geändert? Anscheinend war ihr klar geworden, oder vielleicht auch klar gemacht worden, dass dieser Anschlag nicht primär Katie gegolten hatte, sondern vielmehr ihr selbst. Dieser Anschlag war eine Drohung: Halt den Mund, sonst passiert deiner Tochter etwas. Sie sollte es mit der Angst zu tun bekommen, und das hat auch funktioniert. Sie hat daraufhin sogar verdächtige Dateien in ihrem Computer gelöscht.«
Sheila strich mit ihrem linken Zeigefinger nachdenklich über den glatten Deckel des Laptops. »Oh mein Gott, James. War der Chemiker ihr Komplize? Ist Eaglehurst eine Todesfalle für alte Leute? Haben Mrs White und Maddison reihenweise Patienten über den Jordan geschickt?«
James schüttelte den Kopf. »Nicht ganz. Ich denke, was Mr Maddison betrifft, haben Sie teilweise recht. Ich glaube, Mrs White und Maddison haben ein Mal gemeinsame Sachegemacht. Aber nicht aus niederen Motiven, sondern um Sterbehilfe bei einer alten Freundin von Mrs Whites Mutter zu leisten, die ihr sehr nahe stand. Die alte Frau hatte Krebs im Endstadium, und Mrs White hat sie, obwohl die Dame so gut wie mittellos war, nach Eaglehurst geholt und sich um sie gekümmert. Es mag sein, dass sie sich in diesem Fall zu einem illegalen Schritt bewegen ließ, um dieser Frau, an der ihr sehr viel lag, zu helfen. Diese Hintergründe habe ich soeben von Dr. Goat erfahren.«
Sheila sah ihn erstaunt an. »Er weiß davon? Hängt Dr. Goat auch da mit drin?«
»Nein, im Gegenteil, er hält es für ausgeschlossen, dass Mrs White so etwas tun würde. Er hat eine hohe Meinung von ihr, nun ja, jedenfalls was ihr berufliches Engagement betrifft. Aber er erzählte, dass er vor einem Jahr, als die Frau starb, Leberversagen als Todesursache auf dem Totenschein angekreuzt hatte. Das zog automatisch eine Obduktion nach sich, und Inspektor Ruthersford hat hier ermittelt. Allerdings ohne Ergebnis. Ich denke, irgendjemand hat damals mitbekommen, was wirklich passiert ist, und Mrs White erpresst.«
»Ja, denn wenn die Sache mit der Sterbehilfe rausgekommen wäre, hätte Mrs White ihr Seniorenheim natürlich dichtmachen können«, sagte Sheila. »Und wie, denken Sie, passen Morat und Maddison ins Bild?«
James kramte in Gedanken
Weitere Kostenlose Bücher