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Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst

Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst

Titel: Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Ferber
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die Lunge nicht mehr mit, kein Wunder. Wie war das für Sie, als Ihre Eltern starben?«
    »Nicht schön.«
    »Woran sind sie gestorben?«
    »Verkehrsunfall.«
    »Was haben Sie da gefühlt?«
    James sah zur Decke. »Was denken Sie wohl. Das ist fast sechzig Jahre her. Lassen Sie uns zum Heute kommen.«
    »Na gut. Erzählen Sie mir von Ihren aktuellen Beschwerden.«
    »Im letzten Herbst habe ich mir eine Bronchitis zugezogen, woraufhin mein Hausarzt mich überredete, ins Krankenhaus zu gehen. Aber dort wurde alles nur noch schlimmer. Schließlich hatte ich multiresistente Keime im ganzen Körper. Ich wurde so krank, dass ich wochenlang ans Bett gefesselt war. Im Vergleich dazu kann ich heute schon wieder Bäume ausreißen, aber meine Lungen sind immer noch sehr angegriffen, und nachts, besonders bei feuchtkaltem Wetter, brauche ich ein Spray zur Erweiterung der Bronchien.«
    »Asthma, so, so.« Der Triumph in Dr.   Goats Stimme war nicht zu überhören.
    »Nein, ich sagte, dass ich ab und zu ein entsprechendes Spray brauche.«
    »Sie würden sich nicht als Asthmatiker bezeichnen wollen?«
    »Es ist nur vorübergehend.«
    »Na gut.« Dr.   Goat tippte eine Weile konzentriert.
    »Gestern Nacht, diese Sache mit Mr Peabody, kommt das häufiger vor?«
    »Was meinen Sie?«
    »Dass Sie sich betrinken.«
    »Mr Peabody war betrunken, nicht ich.«
    Dr.   Goat zog die Augenbrauen hoch. »Sie waren nüchtern?«
    »Nüchtern nicht, aber keineswegs betrunken. Ich betrinke mich nie in Gesellschaft.«
    »Sie würden sich also als sehr beherrscht bezeichnen?«
    »Wenn Sie so wollen, ja.«
    »Zeigen Sie mir bitte Ihre Hände.«
    James streckte Dr.   Goat seine Hände entgegen, der sie mitbeiden Händen umfasste. »Ihre Hände sind warm«, bemerkte er. »Ist das meistens so?«
    »Ich achte nicht darauf.«
    Dr.   Goat drückte an James’ Händen herum, wendete sie und betrachtete die Linien der Handinnenfläche.
    »Was untersuchen Sie?«, lächelte James. »Meine Lebenslinie?«
    »Machen Sie sich ruhig lustig, Mr Gerald. Sie tragen keinen Ring, ich nehme also an, Sie sind nicht verheiratet?«
    »Stimmt.«
    »Waren Sie früher einmal verheiratet?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Ich hatte nicht das Bedürfnis.«
    »Nicht die Richtige getroffen?«
    »Ich denke, es verpufft zu viel Lebensenergie bei den unvermeidlichen Reibungen zwischen Ehepartnern.«
    Dr.   Goat zog die Augenbrauen hoch. »Ich glaube nicht, dass viele Menschen das so sehen würden.«
    »Sie also nicht?«
    »Vergessen Sie nicht, Mr.   Gerald, Reibung erzeugt nicht zuletzt auch Wärme.«
    »Sieh an, ein heimlicher Romantiker.«
    Dr.   Goat lachte. »Aus Ihrem Mund hört sich das an wie eine Krankheit. Aber zurück zu Ihnen. Wenn es Ihnen schlecht geht, möchten Sie dann allein sein oder in Gesellschaft anderer Menschen?«
    »Was glauben Sie wohl?«
    »Schon klar.«
    Dr.   Goat tippte vor sich hin, sah James an, tippte weiter, dann schien er plötzlich eine Erleuchtung zu haben, rief »Phosphorus!«, als sei es das Klarste von der Welt, stand auf und öffnetedie Tür des Wandschranks hinter ihm. Hunderte von kleinen braunen Fläschchen wurden sichtbar, Fläschchen wie die mit den Kügelchen, mit denen James am Morgen die Möwe vergiftet hatte.
    »Machen Sie den Mund auf!«, befahl Dr.   Goat.
    »Was ist das?«
    »Phosphorus, C 30.« Es ist Ihr Konstitutionsmittel, da bin ich mir fast sicher.«
    »Fast? Und wenn nicht? Falle ich dann tot um?«
    Dr.   Goat lachte auf. »Erst einmal: Ich liege selten daneben. Davon abgesehen kann ich Sie beruhigen. Selbst wenn es nicht das richtige Mittel für Sie sein sollte, wenn Sie tot umfallen, liegt es garantiert nicht daran.«
    »Na, das ist ein Trost.«
    »Seien Sie unbesorgt: Wenn es der falsche Wirkstoff ist, dann merken Sie gar nichts. Allerdings kann es zur sogenannten Erstverschlimmerung kommen.«
    »Das klingt nicht gut.«
    Dr.   Goat seufzte. »Mein Vater war auch Arzt. Er erzählt oft von früher, von den paradiesischen Zeiten, als die Patienten ihrem Doktor noch unbedingtes Vertrauen entgegenbrachten. Der moderne Patient aber bringt sein Internet-Wissen mit, alles wird kritisch hinterfragt, und die Diagnose hat er auch schon parat. Am Ende hält er sich zwar nicht an das, was der Arzt vorschreibt, aber raten Sie mal, wer hinterher schuld ist. Also, nun haben Sie mal ein kleines bisschen Vertrauen, dass ich weiß, was ich tue, Mr Gerald.«
    »Jeder Job scheint seine Probleme mit sich zu bringen«, erwiderte James.

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