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Null

Null

Titel: Null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Fawer
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widerliche orange Mischung aus teilweise verdautem Ei und Salsa anstarrte, wusste er, dass es vorbei war. Er würde nie wieder unterrichten. Er stand auf, wischte sich den Mund ab und verließ den Hörsaal in dem sicheren Wissen, dass er nie mehr dorthin zurückkehren würde.
    Zunächst versuchte er sich noch einzureden, es sei besser so. Wenn er nicht dreimal die Woche unterrichten müsse, könne er sich darauf konzentrieren, seine Dissertationabzuschließen –
Der Einfluss statistisch signifikanter Ausreißer in der logistischen Regressionsanalyse.
    Und fast einen Monat lang schien er Recht damit zu behalten. Er leitete seine ganze Vitalität und das zähe Verlangen, das er allmorgendlich verspürte
(Komm schon, Mann, willst du denn gar nicht
POKER
spielen?),
in seine Doktorarbeit. Tagelang verkroch er sich in den riesigen Bibliotheksmagazinen der Columbia University, arbeitete, über seinen Laptop gebeugt, wie besessen an der graphischen Darstellung der Verteilungskurven diverser Naturphänomene und fiel abends erschöpft ins Bett.
    Doch dann geschah es wieder, und diesmal war es sogar noch schlimmer als zuvor. Eines Nachmittags überkam ihn, während er auf seinen Computerbildschirm starrte, mit einem Mal der Gestank – diesmal eine widerwärtige Mischung aus faulen Eiern und tierischen Fäkalien. Der Gestank schien von dem Rechner auszugehen – und der Bildschirm klaffte vor seinen Augen wie ein riesiger, zahnloser Rachen.
    Caine wollte zurückweichen, erstarrte aber. Dann wurde ihm schwarz vor Augen. Auf dem kalten Betonboden kam er wieder zu sich. Er drehte sich zur Seite und spuckte einen Mund voll warmes, salziges Blut aus und das Bruchstück eines Schneidezahns. Sein Rechner lag auf dem Boden. Er sah aus, als wäre er von einem Sattelzug überrollt worden: Der Bildschirm war zerborsten, und von der Tastatur war nicht mehr viel zu erkennen.
    Immer noch benommen, ballte er die Faust beim Anblick seines Sony Vaio, der 2500   Dollar gekostet hatte und nun allenfalls noch als Briefbeschwerer oder modernes Kunstobjekt zu gebrauchen war. Er spürte ein Stechen in der Hand, und da erst merkte er, dass ihm ein Bruchstück der Tastatur, die F-Taste , in der Handfläche steckte.
    F wie Fertig. Die Taste schien ihn zu verhöhnen:
Du bist fertig, mein Lieber. Du kannst einpacken. Du hattest einen Blackout und hast deinen Computer zu Klump geschlagen – woran du dich übrigens nicht mal erinnern kannst   –, und jetzt liegst du hier auf dem Boden und spuckst einen abgebrochenen Schneidezahn aus. Wollen wir das Kind doch beim Namen nennen: Du bist erledigt. «F» steht für «Finito», und damit bist du gemeint.
    Hast du denn tatsächlich geglaubt, du würdest ungeschoren davonkommen? Du hast das Wahnsinns-Gen, mein Freund. Dein Zwillingsbruder hat es, und stell dir vor: Du hast es auch. Willkommen im Club.
    Caine warf die Taste an die Wand, wo sie einen kleinen roten Fleck hinterließ, ehe sie zu Boden fiel. Dann gestand er sich schließlich ein, dass sein kleines «Problem» nicht von selbst wieder verschwinden würde. Am nächsten Morgen besorgte er sich einen Termin bei einem Neurologen der Columbia. Drei Tage, einen CA T-Scan , einen PE T-Scan und zwei MR I-Untersuchungen später kam ein mondgesichtiger Arzt aus Indien in sein Zimmer, um ihm die schlechte Nachricht zu überbringen.

Kapitel // 5 //
    Caine hatte TLE – Temporallappenepilepsie. Wie ihm sein Arzt mitteilte, waren olfaktorische und visuelle Halluzinationen vor einem Anfall ganz normal, ebenso das Hören von Stimmen und Déjà-vu-Erlebnisse. Die Gesamtheit dieser Gerüche, Bilder, Laute und Empfindungen wurde als «Aura» bezeichnet, das Vorgefühl beim Herannahen eines epileptischen Anfalls. Caine dachte, es würde ihm besser gehen, da er nun wusste, dass solche Auren ein typisches Vorkommnis bei TL E-Kranken waren, aber das Gegenteil war der Fall.
    Das folgende Jahr war ein einziger Albtraum. Caine musste immer wieder ins Krankenhaus, und die Anfälle wurden schlimmer.
    «David, davon wusste ich ja gar nichts», sagte Jasper, als Caine seine Geschichte schließlich zu Ende erzählt hatte. «Das tut mir Leid.»
    Caine zuckte mit den Achseln. «Auch wenn du davon gewusst hättest, hättest du trotzdem nichts daran ändern können.»
    «Ich weiß, aber dennoch wünschte ich, du hättest mirdavon erzählt.» Jasper zuckte mit den Schultern. «Weiß man, wodurch diese Anfälle ausgelöst werden?»
    «Mein Arzt sagt, es sei
idiopathisch,
und das

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