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Nullpunkt

Nullpunkt

Titel: Nullpunkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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erneut stehen. Was war das für ein Geräusch, das von überall und nirgends zu kommen schien, das in seinem Kopf widerhallte, als hätte sich dort ein Bienenschwarm eingerichtet? Und was war das dort für ein dunkler, undeutlicher Umriss im Schnee und Hagel vor ihm?
    «Wer ist da?», rief er, doch der Wind wehte die Worte von seinen Lippen, sobald er sie ausgesprochen hatte.
    Er blinzelte, spähte aus zusammengekniffenen Augen nach vorn – und wurde von plötzlichem, alles überwältigendem Entsetzen gepackt. Voller Panik wirbelte er herum, stolperte und wollte in Richtung des Wachhäuschens flüchten. Schreiend und erfüllt von nackter, grenzenloser Angst, schaffte Peters genau zwei Schritte, bevor ihn ein vernichtender Schlag von hinten traf. Er fiel auf die Knie, schnaufend, mit aus den Höhlen quellenden Augen – und dann brannte ein gewaltiger, unvorstellbarer Schmerz zwischen seinen Schulterblättern. Ein Abgrund aus Dunkelheit umfing ihn.

21
    Das Labor für Physik und Biowissenschaften war eine ungenutzte Werkstatt auf der B-Ebene . Kein sonderlich beeindruckendes Labor, dachte Marshall, als er eingetreten war und den Blick über Laptops, Mikroskope und andere Labormittel schweifen ließ, die auf einem halben Dutzend Tische verteilt waren. Eigentlich reichte es kaum für mehr als für die täglichen Analysen und Beobachtungen, bis sie ihre Proben und Daten daheim in Massachusetts hatten.
    Hinten im Labor steckten Faraday und Ang Chen die Köpfe über irgendetwas zusammen. Sie hatten ihm den Rücken zugewandt. Marshall ging zwischen den Tischreihen hindurch zu ihnen. Als er heran war, sah er, was sie so aufmerksam studierten: einen Ständer mit einem Dutzend kleiner Reagenzgläser darin.
    «Hier also haben Sie sich versteckt», sagte er.
    Die beiden richteten sich auf und drehten sich hastig zu ihm um wie zwei auf frischer Tat ertappte Kinder. Marshall runzelte die Stirn.
    «Was machen Sie da?», fragte er.
    Faraday und Chen wechselten Blicke.
    «Wir analysieren etwas», sagte Faraday nach kurzem Zögern.
    «Das sehe ich.» Marshall betrachtete die Reagenzgläser. Sie waren gefüllt mit verschiedenfarbigen Flüssigkeiten: rot, blau, hellgelb. «Scheint ja ungeheuer interessant zu sein.»
    Faraday sagte nichts. Chen zuckte die Achseln.
    «Was ist es?», fragte Marshall unverblümt.
    In der sich anschließenden Stille sah er sich im Labor um, aufmerksamer diesmal, und musterte die Arbeitsflächen. Faradays Vergrößerungen vom Innern des Tresors lagen auf einem Tisch verstreut; sie waren mit Kreisen und Pfeilen markiert. Aufeinem weiteren Tisch stand eine Plastikschale mit etwas, das aussah wie Holzsplitter, neben einem Stereomikroskop.
    Endlich räusperte sich Faraday. «Wir untersuchen das Eis.»
    Marshall sah ihn an. «Welches Eis?»
    «Das Eis, in dem die Katze – die Kreatur – eingeschlossen war.»
    «Wie? Das Eis ist längst geschmolzen. Und das Schmelzwasser ist kontaminiert und, vom wissenschaftlichen Standpunkt betrachtet, als Probe nutzlos.»
    «Ich weiß. Deswegen habe ich die Proben ja auch vom Ursprungsort geholt.»
    «Vom Ursprungsort?», fragte Marshall und runzelte die Stirn. «Sie meinen – aus der Höhle?»
    Faraday schob die Brille auf dem Nasenrücken hoch und nickte.
    «Sie waren in der Höhle? Bei diesem Sturm? Das ist verrückt.»
    «Nein. Ich war schon gestern Nacht dort. Nach unserem Treffen im RAS P-Raum .»
    Marshall verschränkte die Arme vor der Brust. «Das ist immer noch verrückt! Mitten in der Nacht! Diese Höhle ist schon bei hellem Tag gefährlich genug!»
    «Sie klingen genau wie Gerard», entgegnete Faraday.
    «Sie hätten auf Polarbären stoßen können!»
    «Ich war bei ihm», sagte Chen. «Ich hatte ein Gewehr dabei.»
    Marshall seufzte und lehnte sich rückwärts gegen eine Tischkante. «Okay. Verraten Sie mir auch, warum?»
    Faraday blinzelte. «Es ist, wie wir es bereits bei unserem Treffen besprochen haben. Irgendetwas an der Geschichte erscheint mir einfach nicht richtig.»
    «Das kann man wohl laut sagen. Wir haben einen Dieb in unserer Mitte.»
    «Das meine ich nicht. Die Dinge passen einfach nicht zusammen. Das plötzliche Auftauen, die verschwundene Kreatur, die Schnittspuren im Holz …» Er deutete auf den Plastikbehälter neben dem Mikroskop. «Ich habe ein paar Proben vom Rand des Lochs genommen und sie bei vierzigfacher Vergrößerung untersucht. Es besteht kein Zweifel: Dieses Loch wurde von
innen nach außen
gesägt.»
    Marshall nickte. «Vor einer

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