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Nullpunkt

Nullpunkt

Titel: Nullpunkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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okdaniyartok.
Der Zorn der Alten. Und
kurrshuq

    Eine Pause entstand, in der sich die beiden Männer im flackernden Schein des Feuers ansahen. Bei ihrer letzten Begegnung hatte der alte Mann einen verängstigten, nervösen Eindruck erweckt. Jetzt wirkte er nur noch resigniert.
    «Warum bist du geblieben?», fragte Marshall schließlich.
    Der Schamane sah ihn unverwandt an, und seine schwarzen Augen glänzten im Schein des Feuers. «Weil Usuguk wusste, dass du kommen würdest.»

35
    Das Weinen war nicht besonders laut, aber es wollte nicht aufhören: ein ununterbrochenes Hintergrundgeräusch, das sich in das Knacken der Heizungsrohre und das ferne Brummen der Generatoren mischte. Als Wolff die Tür zur Offiziersmesse hinter sich schloss, war es nicht mehr zu hören. Und doch blieb es beinahe fühlbar für Kari Ekberg – so real wie die Angst, die an ihr nagte und einfach nicht weggehen wollte.
    Sie blickte sich in der Messe um und sah die anderen der Reihe nach an: Wolff, Gonzalez, den Corporal namens Marcelin, Conti, den Gelehrten Logan, den Klimatologen Sully, eine Handvoll Leute von der Filmcrew. Nach außen hin wirkten alle gelassen – und doch gab es etwas in ihren unbewussten Regungen, in der Art, wie sie bei einem unerwarteten Geräusch zusammenzuckten, das auf kontrollierte Panik deutete.
    Gonzalez sah Wolff an. «Sie haben alle in ihre Quartiere gebracht?»
    Wolff nickte. «Jeder ist in seinem Quartier und hat strikten Befehl, dort zu bleiben, bis wir etwas anderes sagen. Ihr Corporal Phillips steht Wache.»
    Kari hatte ihre Stimme wiedergefunden. «Und Sie sind sicher, dass sie tot sind?», fragte sie. «Alle beide?»
    Gonzalez sah sie an. «Miss Ekberg, niemand könnte toter sein als diese beiden.»
    Kari erschauerte.
    «Haben Sie einen Blick auf sie werfen können?», fragte Conti. Seine Stimme war nur ein monotones Murmeln.
    «Ich habe nur Miss Davis’ Schreie gehört», antwortete Gonzalez. «Aber Corporal Marcelin hat etwas gesehen.»
    Wortlos drehten sich alle zu dem Corporal um, der allein an einem Tisch saß, ein M-1 6-Sturmgewehr über der Schulter, und abwesend in einem Becher Kaffee rührte, dessen Existenz er längst vergessen hatte.
    «Nun?», drängte Conti.
    Marcelins jugendliches Gesicht war rosig und wirkte gleichzeitig geschockt, so als hätte ihm soeben jemand den letzten Schneid abgekauft. Er öffnete den Mund, doch es kam kein Laut heraus.
    «Komm, sprich, Sohn», sagte Gonzalez.
    «Ich habe nicht viel gesehen», sagte der Corporal. «Ich kam um eine Biegung des Korridors, als ich …» Er stockte erneut.
    Im Raum herrschte absolute Stille. Alles saß da und wartete.
    «Es war groß», begann Marcelin wieder. «Und es hatte einen Kopf mit …»
    «Reden Sie weiter!», drängte Wolff.
    «Es hatte einen Kopf mit … mit …
zwingen Sie mich nicht,
das zu sagen!
» Die Stimme des jungen Corporal klang schrill und überschlug sich, und dann verstummte er wieder.
    «Ganz ruhig, Corporal, ganz ruhig», sagte Gonzalez schroff.
    Marcelin schnappte nach Luft, und die Hand, die den Plastikbecher hielt, wurde steif. Nach einigen Sekunden hatte er sich wieder im Griff. Doch er schüttelte den Kopf und weigerte sich beharrlich, noch etwas zu sagen.
    Die anderen Personen im Raum schwiegen abwartend. Schließlich meldete sich Wolff zu Wort. «Und was machen wir jetzt?»
    Gonzalez runzelte die Stirn. «Ich sehe nicht, dass wir viele Möglichkeiten hätten. Warten, bis das Wetter aufklart. Vorher können wir weder evakuieren noch Verstärkung anfordern.»
    «Sie schlagen vor, dass wir in aller Seelenruhe darauf warten, dass einer nach dem anderen zerrissen wird?», fragte Hulce, einer der Filmtechniker.
    «Niemand wird hier zerrissen!», schnappte Wolff. Er drehte sich zu Gonzalez um. «Wie sieht es mit der Bewaffnung aus?»
    «Reichlich Handfeuerwaffen», antwortete der Sergeant. «Ein Dutzend M-16, ein halbes Dutzend Karabiner mit größerem Kaliber, zwanzig Seitengewehre, fünftausend Schuss Munition.»
    «Die wissenschaftliche Expedition hat drei großkalibrige Jagdgewehre mitgebracht», sagte jemand. Es war Gerard Sully, der Klimatologe. Er lehnte an der Wand neben der Essenstheke und trommelte nervös mit den Fingern auf das Edelstahlgeländer. Er war sehr blass.
    Wolff sah sich um. «Wir müssen dafür Sorge tragen, dass von jetzt an nur noch bewaffnete Gruppen unterwegs sind.»
    «Selbst das reicht möglicherweise nicht», grunzte Gonzalez.
    «Nun, haben wir eine Wahl?», konterte Wolff.

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