Nullzeit
Tscheche fuhr in der gleichen Richtung weiter, die der BMWFahrer eingeschlagen hatte - weg von der Landstraße nach Saverne. Fünf Minuten später hielt Vanek in einem Waldstück an. Er war überzeugt, jetzt aus dem Gebiet heraus zu sein, in dem die Polizei nach ihm suchte. Er konsultierte die Straßenkarte, die er am Straßburger Flughafen gekauft hatte und die ihn und Lansky nach Saverne geführt hatte. Vanek sah jetzt, daß er Saverne auch auf einem anderen Weg erreichen konnte, wenn er sich nördlich des Kanals und der Landstraße hielt, bis er kurz vor Saverne auf eine andere Straße einbog. »Sie sollten mir lieber die Wagenpapiere geben«, sagte er zu dem Eigentümer des BMW.
»Die aufzubewahren ist Sache des Chauffeurs.« Der Mann, der Vanek gesagt hatte, er fahre nach Metz zurück, hatte verschwiegen, daß er Bankier war. Er gab Vanek die verlangten Papiere.
»Ich werde Sie hier schön verschnürt zurücklassen.« Vanek klopfte sich auf die Tasche, in der er das Seil mitführte.
»In einer Stunde werde ich die Polizei von Saverne anrufen und sagen, wo man Sie finden kann. Ich bin nur ein kleiner Dieb und habe nicht die Absicht, Sie hier erfrieren zu lassen.« Er stieg mit seinem Gefangenen aus dem Wagen aus, erschoß ihn am Straßenrand und versteckte die Leiche hinter einem Gebüsch. Dann setzte er sich wieder in den BMW und fuhr auf dem Umweg über die Nebenstraßen nach Saverne.
Boisseau hatte all seinen Charme und beträchtliche Überredungskünste aufgeboten, aber das machte auf Annette Devaud keinerlei Eindruck. Sie blieb bei ihrer Entscheidung. Ja, sie würde nach Paris mitfahren und den Polizeipräfekten treffen, wenn das wirklich so wichtig sei - und hier meinte Boisseau, einen Anflug von Aufregung angesichts dieser Aussicht heraushören zu können. Vielleicht hatte die Tatsache, daß sie so knapp dem Tod entronnen war, in ihr den Wunsch geweckt, noch einmal die Hauptstadt zu sehen. Aber Fliegen? Nein, sie werde sich nicht in ein Flugzeug setzen, und wenn er ihr eine Million Franc böte. Nein, eine Fahrt mit dem Auto komme auch nicht in Frage; Autofahren mache sie krank. Sie werde nur nach Paris fahren, wenn sie mit der Bahn reisen könne.
Von der Polizeistation in Saverne aus, wohin man sie eilig gefahren hatte - »Und diese Autofahrt reicht mir«, hatte sie entschlossen verkündet -, rief Boisseau mehrmals Marc Grelle an. Er berichtete über die jeweils jüngste Entwicklung der Dinge - oder über das Fehlen neuer Erkenntnisse. Es war Grelle, der entschied, man solle die alte Dame per Bahn nach Paris bringen. »Sie müssen aber alle nur erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen ergreifen«, schärfte er Boisseau ein. »Vergessen Sie nicht, daß drei Zeugen schon umgebracht worden sind, und um ein Haar hätten die Burschen auch Annette Devaud erwischt. Es müssen sehr sorgfältige Arrangements getroffen werden - denn mindestens einer der Mörder ist noch auf freiem Fuß.« Nach dem Gespräch mit Boisseau rief der Präfekt persönlich in Straßburg an, um seinen Wünschen mit dem ganzen Gewicht seines Einflusses Nachdruck zu geben. Wenn jeder wie geplant kooperierte, würde Annette Devaud um neun Uhr abends wohlbehalten in Paris sein - wenig mehr als zwölf Stunden vor Guy Florians Abflug in die Sowjetunion.
Auf der Karte, die Vanek bei sich hatte, war die Polizeistation von Saverne eingezeichnet. Nachdem er die Stadt erreicht hatte, hatte er also keine Mühe hinzufinden. Er trug noch immer die Schirmmütze und fuhr langsam die Straße hinunter, als hielte er nach einem geeigneten Parkplatz Ausschau. Vor der Wache parkten vier Streifenwagen, Stoßstange an Stoßstange, und uniformierte Polizisten gingen auf und ab und bewachten das Gebäude. Einer von ihnen warf einen Blick auf den BMW und wandte sich dann ab; Vanek hatte einmal zu Brunner bemerkt, daß die Polizei im kapitalistischen Westen wohlhabende Leute unbehelligt lasse - und was konnte wohlhabender wirken als eine schwere Limousine mit Chauffeur?
Vanek hatte noch einen Grund, sich sicher zu fühlen: Während seines Gesprächs mit dem Bankier, den er später getötet hatte, hatte er herausbekommen, daß dieser nach Metz unterwegs gewesen war. Das bedeutete, daß noch mindestens zwei Stunden vergehen würden, bevor irgend jemand den Bankmann vermißte. Vanek fuhr weiter. Er war jetzt überzeugt, daß man Annette Devaud in der Polizeistation unter Verschluß hielt - die Polizisten würden sie also bald wegbringen müssen - vielleicht
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