Nullzeit
Als er die Liste erwähnte und Lanz darum bat, sie einzusehen, schüttelte er den Kopf. »Wenn ich diese Männer besuchen soll, ist es besser, wenn möglichst wenige Leute Bescheid wissen. Wie Sie wissen, arbeite ich immer alleine - so kann ich mir nur selbst ein Bein stellen.«
»Das erleichtert mich«, sagte Lanz. »Das zeigt, daß Sie seit den Tagen im Libanon nichts von Ihrem alten Biß verloren haben. Ach, ja, wir werden Ihnen falsche Papiere geben - Reisepaß, Führerschein und so weiter. Auf den Namen eines Franzosen, sagten Sie?«
»Jean Bouvier«, erwiderte Lennox. »Ein vernünftiger Allerweltsname. Ihre Dokumentenabteilung kann mich als Journalisten ausgeben - ein nützlicher Beruf für einen, der herumreisen und Fragen stellen will …«
Sie verließen den Mainzer Hauptbahnhof. Lanz fuhr den Engländer in seinem Wagen zurück über den Rhein. Nachdem sie die Rheinbrücke hinter sich hatten und auf der Bundesstraße in Richtung Frankfurt fuhren, beschleunigte Lanz. »In der Nähe der Rheinbrücken gibt es Radarfallen«, erklärte er, als die Tachonadel höher kletterte. »Es wäre für mich nicht gut, wegen zu schnellen Fahrens gestoppt zu werden!« Auf dem Weg nach Frankfurt sprach er englisch. Er freute sich über jede Gelegenheit, sich in einer fremden Sprache zu unterhalten. Als sie Frankfurt erreichten, nahm Lanz den Fuß vom Gaspedal. Sie fuhren langsam um den Hauptbahnhof herum, überquerten eine Mainbrücke und fuhren in den alten Stadtteil Sachsenhausen. Die Kästen aus Glas und Beton, die das moderne Frankfurt ausmachen, wichen hier alten Häusern und Weinstuben aus den Tagen der ersten Rothschild. »Wir sind da«, verkündete Lanz. Das schäbige Fotostudio befand sich im ersten Stock eines alten Hauses; unter dem Studio lag eine Konditorei. Im übrigen beherbergte das Gebäude nur eine Reihe kleiner Firmen mit Einzimmerbüros. »Wenn uns jemand gefolgt ist«, erklärte Lanz auf der engen Treppe, »werden sie keinen Hinweis darauf finden, in welchem Büro wir verschwunden sind. Aber ich glaube nicht, daß uns jemand verfolgt hat …«
Die Aufnahme des Paßfotos nahm keine fünf Minuten in Anspruch. »Ein zu gutes Foto in einem Reisepaß würde sofort Verdacht erregen«, bemerkte der alte Fotograf mit einem trockenen Lächeln. Er trug eine dicke Hornbrille. Er versprach Lanz, die gefälschten Papiere seien in zwei Tagen abholbereit. Lennox, der den alten Mann skeptisch beobachtet hatte, forderte ihn in scharfem Ton auf, die Daten für die Personalbeschreibung aufzunehmen. »Sie werden sie für die Papiere brauchen«, betonte er. Der alte Mann grinste und tippte sich an die Stirn. »Ich hab’ sie mir hier notiert. Braune Augen, schwarzes Haar, und Ihre Körpergröße habe ich festgestellt, als Sie vorhin an diesem Meßstab dort standen …«
Sie fuhren aus Sachsenhausen hinaus, als Lennox die Frage stellte: »Ich habe angenommen, Sie hätten eigene Abteilungen für die Herstellung gefälschter Papiere - oder hat Hauser Ihren Etat gekürzt?« »Er hat unseren Etat kräftig erhöht. Und wir haben tatsächlich eigene Dokumentenabteilungen, wie Sie sehr richtig vermuten. Sie haben aber ein sehr delikates Unternehmen vor, und ich habe Befehl erhalten, Sie von jedem BND-Büro fernzuhalten. Joachim, bei dem wir gerade gewesen sind, und sein jüngerer Bruder sind die wohl besten Dokumentenfälscher Deutschlands. Selbst wenn die Sûreté Ihre Papiere unter die Lupe nehmen sollte, dürfte sie voll mit ihnen zufrieden sein. Übrigens, ich kenne hier ein vorzügliches Lokal …«
Lennox lehnte die Einladung zum Lunch ab. Er sagte, er habe noch einiges zu erledigen. Lanz fuhr ihn nach Mainz zurück und gab ihm beim Abschied eine Frankfurter Telefonnummer. Sobald er allein war, machte sich Lennox sofort auf den Weg zu der Garage, in der er seinen Citroën mit dem Kennzeichen BL 49120 untergebracht hatte, und fuhr anschließend aus der Stadt. Er fuhr auf derselben Route zur französischen Grenze, auf der er von Saarbrücken gekommen war. Unterwegs kaufte er sich einige belegte Brote und eine Flasche Bier. Er aß beim Fahren. Um Punkt drei Uhr erreichte er die französische Grenze. Der Grenzübertritt bereitete keinerlei Schwierigkeiten. Die Grenzbeamten nahmen kaum Notiz von ihm und winkten ihm nach einem flüchtigen Blick auf seinen britischen Paß zu, er solle weiterfahren. Von da an fuhr er schnell und hielt sich knapp unter den zugelassenen Höchstgeschwindigkeiten, bis er in Metz ankam, der ersten
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