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Nullzeit

Nullzeit

Titel: Nullzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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die Grenze nach Österreich geflüchtet und hatten in Wien Zuflucht gesucht. Ihr Verschwinden - sie hatten sich an einem Freitagabend aufgemacht, in der Hoffnung, der Vorsprung des Wochenendes werde genügen - wurde durch Zufall schon nach wenigen Stunden entdeckt. Lansky hatte den Befehl erhalten, sie zu finden. Die österreichische Abwehr reagierte zu langsam. Nach dem Grenzüberschritt suchte das tschechische Paar um politisches Asyl nach. Man brachte die beiden vorläufig in einer Wohnung in der Nähe der Kärntnerstraße unter. Das war ein Fehler, denn diese Wohnung war schon früher für einen ähnlichen Zweck benutzt worden. Ein Geheimdienstbeamter der sowjetischen Botschaft, der die Wohnung im Auge behielt, sah die beiden ankommen. Er informierte Lansky in dem Augenblick, in dem dieser in Wien eintraf.
     Wie Lansky sich Zutritt zu der Wohnung verschaffte, blieb ein Rätsel, aber es war bekannt, daß er fließend Deutsch sprach. Am frühen Sonntagabend begab sich ein Beamter der österreichischen Staatsschutzbehörde zu der Wohnung, um das tschechische Paar zu vernehmen. Da auf sein wiederholtes Klopfen keine Reaktion erfolgte, rief er den Hausmeister, der die verschlossene Tür aufbrach. Sie fanden den Mann und das Mädchen in verschiedenen Zimmern - beide hingen an einem Strick. Eine - in tschechischer Sprache - gekritzelte Notiz erklärte: »Wir haben für uns keine Zukunft mehr gesehen …« Von da an wurde Lansky in tschechischen Geheimdienstkreisen als ›der Strick‹ bekannt.
     Antonin Lansky war ein magerer, drahtiger, mittelgroßer Mann mit einem schmalen, knochigen Gesicht und wohlgeformten Händen. An dem blonden Lansky fielen vor allem seine Augen auf; sie hatten große Pupillen und bewegten sich mit verwirrender Langsamkeit. Er war von Natur aus zurückhaltend und hatte während der Trainingszeit auf der ehemaligen Rennstrecke außerhalb von Tâbor am wenigsten gesprochen. Lansky hörte meist zu, während der stets redselige Karel Vanek abends vor dem Schlafengehen wie ein Wasserfall redete und zu allen möglichen Themen seine Kommentare abgab. Selbst Vanek wurde aus dem stillen und zurückhaltenden Lansky nicht recht schlau; wenn ein Mann sich an keiner Unterhaltung beteiligt, bekommt man ihn nicht in den Griff, kann ihn nicht unter seinen Einfluß bringen. »Wenn wir nach Deutschland kommen, werden Sie ein bißchen gesprächiger werden müssen«, sagte ihm Vanek eines Abends, »sonst fallen Sie zu sehr auf. Franzosen plappern immer drauflos …«
     »Den Eindruck habe ich ganz und gar nicht gehabt, als ich in Paris war«, erwiderte Lansky ruhig. »Ich habe oft in irgendwelchen Bistros gesessen, in denen die Leute Piquet spielten und oft stundenlang kaum ein Wort sagten.«
     Als ich in Paris war … Wieder hatte Lansky Vanek einen feinen Nadelstich verpaßt. Dem älteren Tschechen mißfiel es sehr, daran erinnert zu werden, daß Lansky sein Nachfolger in der Geheimdienstabteilung der tschechischen Botschaft in Paris gewesen war und daß auch Lansky etwas über Frankreich wußte.
     Antonin Lansky war nämlich äußerst ehrgeizig und brannte auf den Tag, an dem er einen Mann wie Vanek ersetzen würde, den er wegen seiner Sprunghaftigkeit für ungeeignet hielt Führungsaufgaben zu übernehmen.
     An diesem Dienstag, dem 14. Dezember, tauchte der russische Ausbildungsleiter Borisov kurz vor Mitternacht in dem Betonhäuschen auf, in dem sich die drei Angehörigen des Kommandos gerade schlafen legen wollten. Lansky hatte es sich schon in der oberen Wandkoje bequem gemacht, während Vanek und Brunner, die noch geraucht und sich unterhalten hatten, sich gerade auszogen. Borisovs Mantel war voller Schnee, östlich der Linie Berlin-München hatte es seit Tagen heftig geschneit; jetzt war der Schnee auch nach Tâbor gekommen.
     »Sie werden innerhalb von achtundvierzig Stunden in den Westen aufbrechen«, verkündete Borisov. »Ich habe soeben Nachricht erhalten - es ist alles geändert worden. Vergessen Sie Lasalle - Sie haben jetzt drei andere Namen auf der Liste. Zwei der Leute leben in Frankreich, einer in Deutschland.« Er ließ ein Blatt Papier auf den Tisch fallen. Vanek nahm es in die Hand, während Brunner ihm über die Schulter sah. »Und Sie werden Ihre Aufgabe am Abend des 22. Dezember erledigt haben müssen«, fügte Borisov hinzu.
     »Das ist unmöglich«, war Brunners spontane Reaktion. »Die Zeit reicht nicht für eine sorgfältige Planung …«
    »Schwierig, ja, aber nicht

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