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Nullzeit

Nullzeit

Titel: Nullzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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soll versuchen, möglichst viel über Lennox in Erfahrung zu bringen - vor allem... seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort Alan Lennox - das war ein international bekannter Sicherheitsexperte …«
     Die Zentrale des Bundesnachrichtendienstes liegt in Pullach, rund zehn Kilometer südlich von München. An dem Morgen, an dem Grelle die von Hugon gelieferte Liste der Zeugen übergeben wurde, betrat Peter Lanz sein Büro in dem zweistöckigen BND-Gebäude, in dem man selbst zu so unchristlichen Zeiten wie fünf Uhr morgens schon leitende Mitarbeiter antreffen kann. Das frühe Aufstehen machte Lanz nichts aus. Er konnte leicht mit vier Stunden Schlaf auskommen. Er legte gerade einige Papiere von seinem Schreibtisch in eine Aktenmappe, als seine Sekretärin, Frau Schenker, eine hübsche junge Frau von siebenundzwanzig Jahren, Ehefrau eines Bundeswehroffiziers, den Raum betrat.
     »Der Wagen ist da, Herr Lanz. Sie sagen, über dem Flugplatz liege dichter Nebel …«
    »Die haben doch einen Leuchtpfad, verdammt noch mal!«
    Lanz grinste, um seinem Ausbruch die Spitze zu nehmen. »Ich habe noch keinen Kaffee gehabt, Sie müssen mich also entschuldigen. Sie können mich in Bonn bis neun Uhr anrufen - wenn es unbedingt sein muß!«
    »Ich werde vergessen, daß Sie in Bonn sind«, erwiderte Frau Schenker. Sie war ein bißchen in ihren Chef verliebt, aber vernünftig genug zu wissen, woran das lag: Sie verbrachte den ganzen Tag mit ihm, und er war sehr aufmerksam. Immerhin half dieses leichte Verliebtsein über das Gefühl der Isolation hinweg, das die Arbeit in Pullach erzeugte; keiner der Mitarbeiter des BND durfte seine Freunde wissen lassen, welchem Job er wirklich nachging. Als Lanz zum Wagen hinunterging, blickte sie auf die Uhr. In dreißig Minuten würde er in der Luft sein.
    Wie Lanz vorhergesehen hatte, mußten sie den Leuchtpfad einschalten, bevor seine Dienstmaschine starten konnte. Sie stieg steil durch den undurchdringlichen Nebel, was immer beunruhigend war: Man konnte das Gefühl nicht loswerden, daß irgendeine große Linienmaschine direkt auf einen zuflog. Um... seine Angst zu unterdrücken, klappte Lanz die Tischplatte auf und las die Übersetzung von Lasalles jüngster Sendung in Europa Nummer Eins. Der Franzose hatte sich wieder selbst übertroffen.
    »Der Falke in Paris macht sich zum Abflug bereit … Bald wird er in der Stadt des neuen Zaren aufsetzen, dessen Schatten schon heute auf die alten und berühmten Städte Athen, Rom... und Lissabon fällt … Wird Paris die nächste Stadt sein, die im... Dunkel dieses barbarischen Schattens verschwindet?« Was im Klartext bedeutete, daß Paris bald einem... kommunistischen Staatsstreich zum Opfer fallen könne.
    Lächerlich. Lanz kritzelte das Wort auf den Rand.
    Bundeskanzler Franz Hauser, den er jetzt im Kanzleramt... aufsuchen wollte, würde über diesen jüngsten Ausbruch wütend sein. Lanz flog an jedem Dienstagmorgen nach Bonn, um Hauser über die neuesten Entwicklungen der internationalen Szene zu unterrichten und ihm die Interpretation des BND vorzutragen. Eigentlich wäre das die Aufgabe des BND-Präsidenten gewesen, aber dieser war heute kaum noch mehr als eine Galionsfigur. »Dieses leere alte Bierfaß«, wie Hauser ihn abschätzig nannte, aber nur, um sich noch abschätziger zu korrigieren. »Das ist natürlich falsch. Er ist ständig bis zum Rand voll Bier. Das ist ja das Ärgerliche …« Nachdem er die Übersetzung des Lasalle-Textes zu Ende gelesen hatte, prüfte Lanz seinen Terminkalender. Nach dem Vortrag beim Bundeskanzler würde er sofort nach Frankfurt fliegen, dort am Flughafen einen Wagen nehmen und über die Rheinbrücke nach Mainz ans Westufer des Flusses fahren. Alan Lennox hatte ihn am vorhergehenden Abend von Saarbrücken aus unter der Nummer angerufen, die David Nash angegeben hatte. Um zehn Uhr morgens war Lanz mit Lennox im Hotel Central in Mainz verabredet.
     Die Unterredung fand nicht im Hotel statt. Als Lanz beim Empfang des Hotel Central eintraf und nach Alan Lennox fragte, überreichte man ihm einen versiegelten Umschlag. Der Umschlag enthielt einen Zettel. Hauptbahnhofsrestaurant zweiter Klasse stand darauf. Lanz eilte quer über den Vorplatz und fand den Engländer in die Frankfurter Allgemeine Zeitung vertieft.
     »Ich ziehe die Anonymität von Bahnhöfen vor«, erklärte Lennox auf deutsch. »Wie geht es Ihnen?«
    In den nächsten fünfzehn Minuten berichtete der Engländer dem BND-Vize von seinem Besuch bei Lasalle.

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