Nullzeit
größeren Stadt seit der Grenze. Als er seinen Citroën parkte, fiel Lennox ein, daß Metz Marc Grelles Geburtsort war.
Lennox verbrachte eine Stunde in Metz mit Einkäufen. Er ging rasch von Geschäft zu Geschäft und kaufte in jedem Laden nur wenige Dinge ein. Als er um fünf die Stadt verließ, hatte er einen Koffer voll französischer Kleidungsstücke - neun Oberhemden, zwei Anzüge, Unterwäsche, Krawatten, Taschentücher, einen Regenmantel, einen schweren Mantel, einen Hut und verschiedene Kleinigkeiten, darunter zwei Kugelschreiber, eine Brieftasche und ein Notizbuch. Zahnbürste, Zahnpasta sowie französisches Rasierzeug hatte er ebenfalls erstanden.
Als er lange nach Einbruch der Dunkelheit zum Grenzkontrollpunkt zurückkehrte, bemerkte er sofort Anzeichen fieberhafter Aktivität. Jetzt waren weit mehr Grenzbeamte als vorhin zu sehen, die Papiere der Autofahrer wurden eingehender geprüft, und es hatte sich eine lange Schlange wartender Wagen gebildet. Als Lennox an der Reihe war, nahm der Grenzbeamte seinen Paß interessiert in Augenschein und sah sich jede Seite an, was sehr ungewöhnlich ist. »Sie verlassen Frankreich, Monsieur? Ist das richtig?« Er sprach Französisch.
»Verzeihung, wie bitte?« erwiderte Lennox auf englisch.
»Un moment …« Der Beamte verschwand in einem Wachhäuschen und nahm Lennox’ Paß mit. Nach zehn Minuten kehrte er in Begleitung eines Beamten zurück, der Englisch sprach. Der zweite Mann, der jetzt den Paß in der Hand hielt, steckte den Kopf durchs Wagenfenster und starrte Lennox an. »Was war der Zweck Ihres Besuches in Frankreich, und wie lange sind Sie im Land gewesen?«
Lennox stellte den Motor ab, legte einen Ellbogen aufs Seitenfenster und setzte eine sehr geduldige Miene auf. Grenzbeamte sollte man nie provozieren; sie können einem die Hölle heiß machen. »Ich bin drei Stunden in Frankreich gewesen«, erklärte er. »Ich war vorhin nämlich in der Nähe der Grenze und entschloß mich kurzerhand, mal herüberzufahren, um mal wieder die gute französische Küche zu kosten. Die deutsche Küche finde ich nämlich nicht sehr aufregend«, log er sanft. »Können Sie das verstehen?«
»Bitte fahren Sie weiter!«
Was zum Teufel sollte das alles eigentlich? fragte sich Lennox, nachdem er sich auf deutschem Boden befand und beschleunigte. Warum interessieren die sich für einen Mann mit britischem Paß? Er fühlte sich erleichtert, die Grenzkontrolle hinter sich zu wissen; es hätte ihm nicht sehr gefallen, wenn sie seinen Koffer geöffnet und lauter nagelneue französische Kleidungsstücke darin gefunden hätten. Muß eine Stichkontrolle gewesen sein, dachte er, während er durch die Nacht in Richtung Mainz fuhr. Dort hatte er im Hotel Central ein Zimmer bestellt. Innerhalb der nächsten zwei Tage würde er zum zweitenmal mit Peter Lanz zusammentreffen, um seine französischen Papiere in Empfang zu nehmen. Dann würde er wieder die französische Grenze überschreiten, dieses Mal als Jean Bouvier, Zeitungsreporter.
Um sechs Uhr nachmittags, etwa zu der Zeit, als Lennox die Grenzkontrollstation erreichte, wurde Grelle ins Innenministerium gerufen. »Es wird schlimmer mit ihm«, sagte er zu Boisseau. »Bald werde ich ihn einmal die Stunde sehen. Bis nachher …«
Auf dem Weg zu Roger Danchin hatte er das Pech, mitten in die Rush-hour zu kommen. Da es außerdem in Strömen goß, hatten die Autofahrer noch schlechtere Laune als sonst. Als Grelle in einer Verkehrsstockung festsaß, verfluchte er den Minister in höchst unfeinen Wendungen. Es war sieben Uhr geworden, als er auf den Hof hinterm Place Beauvau einbog, seufzte und das Gebäude betrat. Als Grelle in das Arbeitszimmer des Ministers kam, stand Danchin in seiner Lieblingsposition am Fenster, starrte auf den der Öffentlichkeit verborgenen Garten hinunter und kehrte seinem Besucher den Rücken zu. »Grelle«, sagte er, »der Bericht über Ihren gestrigen Besuch in der amerikanischen Botschaft liegt auf meinem Schreibtisch. Sie sind um sechs angekommen und um zwanzig nach sechs gegangen. Das scheint ja wirklich ein sehr kurzer Besuch gewesen zu sein.« Dann wartete er. Er drehte sich noch immer nicht um.
Grelle machte mit zwei Fingern hinterm Hosenboden eine obszöne Gebärde und blieb wortlos stehen. Ihm war noch keine Frage gestellt worden, und er würde sich hüten, auf Danchins Spiel einzugehen und loszuplappern, um sich zu rechtfertigen. Das Schweigen dauerte eine Minute. »Nun?« sagte Danchin
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