Nullzeit
letzte Feststellung sehr beunruhigend«, sagte Boisseau.
Robert Philip war wie Guy Florian zweiundfünfzig Jahre alt aber damit endete auch schon jede Ähnlichkeit. Er stand am Sonntag spät auf. Es ärgerte ihn, daß seine Bettgenossin, Noëlle Berger, immer noch schlief. Er rüttelte sie grob an ihrer nackten weißen Schulter und brachte seine Forderung mit gewohntem Feingefühl vor. »Los, steh auf, du Schlampe, ich möchte frühstücken …«
Er lebte von seiner Frau getrennt und tröstete sich neuerdings mit einer Reihe kurzlebiger Affären. Er achtete peinlich darauf, daß keine zu lange dauerte. Wie er seinen Saufkumpanen immer sagte: »Wenn man sie erst mal eine Woche im Haus hat, dann bilden sie sich auch schon ein, der ganze Laden gehört ihnen …« Philip war mittelgroß und von schwerem Körperbau. Sein Haar im Bürstenschnitt und sein üppiger Schnurrbart hatten den gleichen rötlichen Farbton. Vor sich hin schimpfend ging er nach unten und zog den Wohnzimmervorhang auf. Auf der anderen Straßenseite stand auf der normalerweise leeren Avenue ein Citroën mit geöffneter Motorhaube. Zwei Männer beugten sich über den Motor. Auf dem Bürgersteig lag eine Werkzeugtasche; einige Werkzeuge lagen herum. »Geschieht euch recht; das kommt davon, wenn man Benzin verschwendet«, murmelte Philip. Er hielt sich seinen seidenen Morgenmantel zu und ging in die Küche. Wenige Minuten später kam Noëlle Berger in ähnlicher Aufmachung ins Wohnzimmer. Sie suchte eine Zigarette. Sie war klein, blond und hatte eine üppige Figur.
»Sehen Sie mal, das Mädchen«, flüsterte Vanek, dessen Kopf halb unter der Motorhaube verschwunden war. »Das gibt Komplikationen.«
»Am besten wäre es«, erwiderte Brunner, »wenn wir uns außerhalb des Hauses mit ihr beschäftigen könnten.«
»Wenn sie die verdammte Villa verläßt. Heute ist Sonntag.«
Robert Philip war während des Krieges der Waffenmeister des Leoparden gewesen. Er hatte dafür zu sorgen, daß Waffen und Munition immer in ausreichenden Mengen vorhanden waren.
Diese Aufgabe schloß Überfälle auf feindliche Munitions- und Waffendepots ein. In dieser Eigenschaft war Philip einer der wichtigsten Mitarbeiter des Leoparden gewesen. Seit dem Kriegsende hatte Philip eine erfolgreiche Karriere hinter sich gebracht - wenn man Erfolg an der Höhe eines Bankkontos und am Besitz einer großen Villa mißt, die mit zweifelhaften Methoden erworben worden sind. Philip war Waffenschieber.
1944, als verschiedene Résistance-Gruppen in Südfrankreich riesige Waffenverstecke anlegten, um die erhoffte République Soviétique du Sud zu unterstützen, deren Gründung der Leopard fast zuwege gebracht hätte, war Robert Philip emsig damit beschäftigt, einige dieser Waffen verschwinden zu lassen und zu verstecken. Es mußte für Philip eine große Erleichterung gewesen sein, daß der kommunistische Staatsstreich mißlang. Als er sah, daß de Gaulle siegen würde, erklärte Philip sich zum Uralt-Gaullisten und übergab dem General die Hälfte seiner Waffen Vorräte. Die andere Hälfte hob er sich für künftige Geschäfte auf.
In den folgenden Jahren lieferte Philip Waffen an den jungen Fidel Castro - wobei er die kommunistischen Verbindungen benutzte, die er im Departement Lozère aufgebaut hatte -, an die Eoka-Terroristen, die auf Zypern gegen die Briten kämpften, an kurdische Aufständische im Irak, und überhaupt an jeden, der hart genug bedrängt war, um minderwertige Ware zu überhöhten Preisen zu kaufen.
»Ich bin«, brüstete er sich einmal in einer Bar, »ein bißchen schlauer als meine Zeitgenossen.« Seine Frau Yvonne lebte jetzt in einer Pariser Wohnung. »Ich habe sie ausbezahlt«, liebte er zu sagen.
»Ich halte nämlich nicht viel davon, eine Frau schlecht zu behandeln…«
Um zwei Uhr nachmittags verließ Noëlle Berger die Villa allein. Sie war in einen Pelzmantel gehüllt und legte den kurzen Weg zum Bahnhof zu Fuß zurück. Robert Philip blieb allein im Haus. Der Citroën, der morgens vor dem Haus gestanden hatte, war längst verschwunden. Der einzige Mensch, der zu sehen war, war ein hagerer Mann mit knochigem Gesicht, der vor einem Laden stand und sich das Schaufenster ansah. Noëlle betrat den Bahnhof und kaufte sich eine Rückfahrkarte nach Straßburg. Von dem Mann, der hinter ihr aufschloß und sich eine einfache Fahrkarte nach Straßburg kaufte, nahm sie keine Notiz. Vanek hatte Lansky sehr einfache Anweisungen gegeben.
»Ich
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