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Nullzeit

Nullzeit

Titel: Nullzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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Feuerwaffe oder eines Hundes, dem man Dynamitstäbe am Hals festgebunden hatte und der sich dem Präsidenten nähern sollte, etwa bei einer öffentlich gehaltenen Rede. Und Mord durch einen Feuerüberfall von Kraftfahrzeugen aus. Diese letzte Methode war die beliebteste, und Grelle wußte auch, warum. Diese Methode bietet den Vorteil, daß besonders ausgebildete Killer aus kürzester Entfernung schießen können. Sie setzt allerdings Männer mit blitzschnellem Reaktionsvermögen voraus, die sich augenblicklich auf eine neue Lage einstellen können. Tatsächlich war de Gaulle immer dann in höchste Gefahr geraten, wenn seine Fahrzeugkolonne sich in einen Strom anderer Fahrzeuge hatte einordnen müssen. Mit diesem Katalog versuchter Anschläge im Kopf machte sich Grelle mit Hilfe des unermüdlichen Boisseau daran, jede nur denkbare Gegenmaßnahme zu ergreifen. Als sein Stellvertreter aus Straßburg zurückkehrte, schlug Grelle sich noch immer mit diesen Problemen herum.
     Es war inzwischen neun Uhr abends geworden, und Boisseau, der seit dem Lunch nichts zu essen bekommen hatte, ging schnell in die nächste Eckkneipe, um sich einen kleinen Imbiß zu holen. Er nahm sein karges Mahl am Schreibtisch des Präfekten ein, während er zwischendurch seinen Bericht über den Ausflug nach Straßburg fortsetzte. 
    »Verstehen Sie«, fuhr er fort, »Jouvels Selbstmord ist allem äußeren Anschein nach durchaus einleuchtend, da gibt es keinen Zweifel, und es gibt nur wenige Leute, die einen solchen Tod fingieren können. Wie Sie wissen, würden sie bestimmte Details vergessen …«
     »Es sei denn, wir haben es mit einem professionellen Killer zu tun? Das hätte eine lange Reihe höchst unerfreulicher Implikationen zur Folge …«
     »Was mir nicht gefällt«, bemerkte Boisseau und wischte mit einem Stück Brot Fleischsaft auf, »sind diese beiden Männer, die mit diesem Flittchen gesprochen haben. Sie haben ihr - unabhängig voneinander - etwa die gleichen Fragen nach Jouvel gestellt. Und das zu einer Zeit, in der sich normalerweise kein Mensch für Jouvel interessierte oder ihn besuchte. Also: Wer waren diese beiden Fremden - ganz zu schweigen von dem Mann mit dem Regenschirm, den keiner der übrigen Mieter des Hauses kennt?«
     »Freunden Sie sich mit dem Gedanken an«, sagte Grelle. »Jouvel kann sehr wohl Selbstmord begangen haben. Diese anderen Männer haben vermutlich nichts damit zu tun. Hier in Paris sind wir keinen Schritt weitergekommen - weder Roger Danchin noch Alain Blanc haben mit irgendeiner der uns bekannten sowjetischen Kontaktpersonen Verbindung aufgenommen. Wir haben ein Stadium erreicht wie schon so oft in früheren Fällen:
     Wir sind in einer Sackgasse. Wir müssen die weitere Entwicklung der Dinge abwarten, vielleicht ergibt sich irgendein Hinweis …« Er holte die von Oberst Lasalle zusammengestellte Zeugenliste aus einer abgeschlossenen Schublade und überflog sie von neuem. »Nach allem, was wir wissen, kann der Schlüssel zu allem sehr wohl der Mann sein, den wir nicht einmal beschatten lassen können - Dieter Wohl in Freiburg.«
     »Sie könnten Peter Lanz vom BND anrufen«, schlug Boisseau vor. »Er ist immer sehr hilfsbereit …«
    »Wo wir selbst hier, auf heimischem Boden, mit einer Ge... heimniskrämerei vorgehen müssen, die Verschwörer auszeichnet? Ich habe nicht den Mut, diese Sache ins Ausland zu tragen.« Grelle reckte sich und gähnte. 
    »Mein Gott, bin ich müde. Nein, wir müssen warten - und hoffen, daß sich irgendein Fingerzeig ergibt…«
     In einem zweistöckigen Haus außerhalb Freiburgs, der Universitätsstadt am Rand des Schwarzwalds, stand der ehemalige Abwehroffizier Dieter Wohl am Fenster seines dunklen Schlafzimmers und sah über die Felder nach Westen. Jenseits des Rheins, nur wenige Kilometer entfernt, lag Frankreich. Wohl erinnerte sich.
    Wohl war ein gut gebauter Mann mit einem energischen Gesicht. Er war jetzt einundsechzig. Als seine klugen blauen Augen zum Elsaß hinüberblickten, umspielte ein feines Lächeln seinen Mund. Es war alles so lange her und war so vergeblich gewesen. Jetzt herrschte Gott sei Dank beiderseits des Rheins Frieden. Wenigstens hatte er lange genug gelebt, um das noch zu erleben. Als pensionierter Polizeibeamter und Witwer hatte Dieter Wohl genügend Zeit, über die Vergangenheit nachzudenken.
     Die Schlagzeile der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vor elf Tagen hatte seine Erinnerung geweckt, die Geschichte über das versuchte Attentat

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