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Nullzeit

Nullzeit

Titel: Nullzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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später schlossen die beiden neben dem Wagen stehenden Männer die Haube, wie Wohl vom Schlafzimmer an der Vorderseite sehen konnte, und stiegen in den Mercedes ein, der vom Fahrer angelassen wurde. Zunächst stotterte der Motor ein bißchen, aber beim zweitenmal sprang er an. Der Wagen fuhr in Richtung Freiburg ab. Ich werde wohl alt, dachte Wohl. Ich sehe Gespenster, wo es keine gibt. Er ging nach unten, um die Arbeit an seinen Memoiren fortzusetzen. Eine halbe Stunde später läutete das Telefon.
     »Herr Wohl? Herr Dieter Wohl? Guten Abend. Hier ist das Morgenthau-Institut, eine Marktforschungsgesellschaft. Wir führen eine Untersuchung durch, die eine Erhöhung der staatlichen Renten zum Ziel hat. Wir haben Sie als Interviewpartner ausgewählt …«
     Der Marktforscher, ein Mann namens Brückner, fragte nach Wohls Familienstand, notierte, daß dieser Witwer sei, daß ihm sein Haus gehöre, daß er nie Urlaub mache. Außerdem stellte er ihm noch eine Reihe anderer entsprechender Fragen. Der Anrufer dankte Wohl wortreich und sagte, es sei möglich, daß er Wohl persönlich zu sprechen wünsche, aber er werde auf jeden Fall vorher anrufen. Ob es an einem der nächsten drei Abende passe? Ja? Fabelhaft …
     Wohl legte auf und ging wieder in sein Arbeitszimmer an der Vorderseite des Hauses. Er machte sich wieder an die anstrengende Aufgabe, die Einführung zu seinem Buch voranzutreiben. Es fiel ihm aber schwer, sich zu konzentrieren; sein mißtrauischer Geist kehrte immer wieder zu dem Anruf zurück.
     Nur acht Stunden vorher hatte Vanek von Kehl aus die spezielle Telefonnummer in Paris angerufen. Seit der Ankunft in München hatte er jeden Tag - mit Ausnahme des Sonntags in Colmar - die Nummer angerufen, die sein Ausbilder, Borisov, ihm gegeben hatte. Er hatte jedesmal von einem Postamt aus angerufen. Bislang hatte man ihm nie neue Anweisungen gegeben. Als er von Kehl aus anrief, hatte er angenommen, auch diesmal werde nichts erfolgen. Vanek hörte, wie am anderen Ende der Leitung abgenommen wurde und wie der Mann mit derselben Stimme wie immer - Jorgensen - die Nummer wiederholte. Vanek meldete sich.
     »Hier Salicetti …«
    »Es hat sich etwas geändert«, sagte die Stimme rasch. »In der Freiburger Niederlassung müssen Sie ein Kriegstagebuch abholen und die Memoiren des Kunden mitnehmen. Verstanden?«
    »Verstanden …«
    »Dann müssen Sie noch einen Kunden besuchen - notieren Sie sich die Adresse. Eine Madame Annette Devaud in Saverne …« Jorgensen buchstabierte den Namen der Stadt. 
    »Sie liegt im Elsaß …«
    »Das ist eine ungenaue Adresse …«
    »Das ist alles, was wir haben. Wiederhören!«
    Vanek sah auf seine Uhr. Der Anruf hatte nur dreißig Sekunden gedauert. Während des Telefonats war der Tscheche recht ruhig gewesen, aber jetzt, als er aus der Telefonzelle blickte, fluchte er vor sich hin. Draußen standen Leute Schlange, um Briefmarken zu kaufen. Die neue Entwicklung der Dinge behagte ihm überhaupt nicht; sie bedeutete, daß sie nach dem Besuch in Freiburg wieder nach Frankreich würden einreisen müssen. Und heute war schon der 20. Dezember. Ihnen blieben nur zweiundsiebzig Stunden, um den Auftrag zu erfüllen.
     Alan Lennox überschritt die Grenze bei Kehl am Morgen des 21. Dezember, an einem Dienstag. Am Straßburger Bahnhof waren die meisten Polizeibeamten abgezogen worden, obwohl einige noch immer patrouillierten. Nach der anfänglich fieberhaften Aktivität - die keinerlei Ergebnis brachte - gewann der alte Groll der lokalen Polizeibehörden über die Einmischung von Paris in ihre Angelegenheiten wieder die Oberhand, nicht zuletzt, weil am Straßburger Flughafen Terroristenalarm gegeben worden war, der sich allerdings als unbegründet erwies. In aller Eile wurden zahlreiche Beamte zum Flughafen gebracht, und am Bahnhof wurde das Netz gelockert.
     Lennox holte seinen Koffer bei der Gepäckaufbewahrung ab und bestieg einen Personenzug nach Kehl. An der Grenze passierte er die Paßkontrolle ohne Zwischenfall - niemand hielt nach einem Mann namens Bouvier Ausschau. Nach der Ankunft in Deutschland rief Lennox sofort Peter Lanz unter der Bonner Nummer an, die er erhalten hatte. Er erzählte dem BND-Mann in groben Zügen, was sich ereignet hatte. »Die beiden französischen Zeugen sind urplötzlich gestorben, man könnte sagen, durch Gewalteinwirkung - innerhalb von vierundzwanzig Stunden … Einer von ihnen hat unseren Tierdarsteller zum Teil identifiziert … allein an der Stimme,

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