Nullzeit
Lanz einen Blick zu und machte einen Augenaufschlag zum Wagendach.
»Manchmal frage ich mich, warum ich Polizist geworden bin. Meine Frau wollte, daß ich mir einen Gemüseladen kaufe.«
»Es muß sehr schwierig für sie sein - in diesem Nebel«, sagte Lanz sanft. »Ich finde, Sie machen Ihre Sache sehr gut.«
Gruber schaltete sich selbst auf Sendung und beugte sich vor, um zu sprechen.
»Nummer vier. Sie haben sehr deutlich gesagt, daß es mehr als ein Frahrzeug war. Sind Sie da ganz sicher?«
»Absolut sicher«, erwiderte Nummer vier.
»Es waren zwei, die dicht auffuhren. Zwei Wagen.«
»Er ist ein guter Junge«, sagte Gruber und stellte das Gerät wieder auf Empfang. Er rieb sich die Nase. »Der Mann am anderen Ende aber auch. Ich will nicht ungerecht sein. Es ist meine eigene Schuld - jetzt, wo der Nebel da ist, wünschte ich, ich hätte Straßenkontrollen eingerichtet. Aber jetzt müssen wir die Dinge laufenlassen.« »Das dürfte am besten sein«, stimmte Lanz zu.
Nachdem er den Einsatzwagen verlassen hatte, ging Lennox die Straße entlang auf Dieter Wohls Haus zu. Er machte sich Sorgen wegen des Nebels, wagte aber nicht, zu nah ans Haus heranzugehen, weil er befürchtete, die Polizeibeamten zu verwirren. Als zwei dicht hintereinander fahrende Wagen auf ihn zukamen, sah er nur das gebrochene Licht der Scheinwerfer und drückte sich eng an die Straßenhecke. Nachdem die Wagen vorbei waren, ging er noch eine kurze Strecke weiter und blieb dann am Feldrand stehen. Er befand sich jetzt auf halbem Weg zwischen dem nördlichen Ende des Kontrollabschnitts und dem Haus.
Unter dem Fahrersitz steckte die Neun-Millimeter-Luger, die Borisov Vanek übergeben hatte. Vanek erwartete nicht, daß er die Waffe brauchen würde, aber er hielt es für sicherer, eine bei sich zu haben. Er war ein Meister im Verstecken von Waffen. Im Augenblick wurde die Pistole durch ein Klebeband an der Unterseite des Fahrersitzes festgehalten. Vanek fuhr jetzt noch langsamer. Die beiden vor ihm fahrenden Wagen verschwanden im Nebel. Er ließ den Mercedes aber weiterrollen, bis sie Wohls Haus hinter sich gelassen hatten, das jetzt nur als grauer Schatten zu erkennen war. Dann hielt er an. Man durfte den Deutschen nicht warnen und ihm keine Gelegenheit geben, sich zu fragen, warum ein Wagen ausgerechnet an diesem Abend vor seinem Haus hielt.
»Sie warten im Wagen«, befahl er Lansky, »und lassen den Motor laufen. Ich glaube nicht, daß es Ärger gibt, aber man kann nie wissen.«
»Warum sind Sie so nervös?« fragte Brunner, der mit ihm ging. Es sah Vanek überhaupt nicht ähnlich, Komplikationen vorauszusehen - und das offen zuzugeben.
»Ich bin nervös, weil ich Angst habe, Lansky könnte vergessen, den Wagen im Leerlauf laufen zu lassen«, fauchte Vanek.
Warum bin ich eigentlich hervös? hatte Vanek sich schon beim Aussteigen gefragt. Sein sechster Sinn sagte ihm, daß irgend etwas nicht stimmte. Er stand am Straßenrand und betrachtete die verschwommenen Umrisse des Hauses. Er blickte nach links und rechts, beide Straßenseiten hinunter, und auf die Felder, die er nicht erkennen konnte. Dann ging er auf das Haus zu, zum Vordereingang. Brunner folgte dichtauf. Vanek überlegte es sich anders, ging zur Seitenfront, öffnete leise das Gartentor und ging um das Haus herum zur Rückseite. Licht brannte nur in zwei Fenstern an der Vorderseite des Hauses; alle anderen Fenster waren dunkel. Mit aufgeschlagenem Mantelkragen zum Schutz vor der Kälte ging Vanek zur Vordertür zurück. Brunner ging auf leisen Sohlen zur Seitentür und verschwand aus Vaneks Blickfeld. Vanek drückte auf den Klingelknopf neben der Tür. Seine rechte Hand in der Manteltasche umfaßte den Griff der Luger, die er aus dem Wagen mitgenommen hatte. Die Stille im Nebel war unheimlich.
Vanek mußte einige Augenblicke warten, bis er auf der Innenseite der Tür ein leises Klirren hörte. Die Kette wurde zurückgezogen. Dann öffnete sich die Tür langsam, und die riesige Gestalt Wohls zeigte sich im Eingang. In der Hand hielt er einen Spazierstock, einen schweren Eichenstock ohne Griff, wie Bauern ihn tragen.
»Guten Abend«, sagte Vanek in seinem makellosen Deutsch. »Ich bin Inspektor Braun von der hiesigen Kriminalpolizei.« Er zeigte Wohl den gefälschten Sûreté-Ausweis, den Borisov in letzter Minute geliefert hatte, steckte das Papier aber rasch wieder in die Tasche. »Man hat zweihundert Meter weiter auf der Straße nach Freiburg einen toten
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