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Nullzeit

Nullzeit

Titel: Nullzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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der vitalen französischen Hafenstadt. Tausende von Menschen durchbrachen die Absperrungen und versuchten, den Citroën des Präsidenten zu umringen. Auf direkten Befehl von Marc Grelle, der mit nach Marseille geflogen war, drängten Truppen der CRS die wimmelnden Massen zurück. Das führte hinterher fast zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Präsidenten und dem Pariser Polizeipräfekten. »Sie haben die ganze spontane Manifestation ruiniert«, tobte Florian. »Das war überhaupt nicht nötig …«
     »Die spontane Manifestation ist von der Kommunistischen Partei organisiert worden«, entgegnete Grelle scharf. »Und ich kann nur feststellen, daß Sie noch am Leben sind. Wünschen Sie, daß ich Ihr Leben schütze, oder wünschen Sie das nicht?«
     Die Heftigkeit des Präfekten brachte den Präsidenten zur Besinnung. Er ging auf Grelle zu und legte ihm den Arm um die Schultern. »Sie haben natürlich recht. Mir darf vor meinem Abflug in die Sowjetunion nichts zustoßen. Der Frieden ist jetzt zum Greifen nah, Grelle, der Frieden …«
     Der sowjetische Konvoi K12 hatte jetzt die Dardanellen passiert und fuhr durch die südliche Ägäis. Er fuhr in gemächlichem Tempo, eine Tatsache, welche die Marineanalytiker im NATO-Hauptquartier bei Brüssel verwirrte. Das Expertenteam unterstand einem britischen Offizier, Commander Arthur Leigh-Browne von der Royal Navy. Am Dienstag, dem 21. Dezember -dem Tag, an dem Florian in Marseille seine bislang heftigste antiamerikanische Rede hielt -, ließ Browne sämtlichen westlichen Verteidigungsministern einen Routinebericht zustellen.
     »Der Konvoi K 12 nimmt mit hoher Wahrscheinlichkeit Kurs auf den Indischen Ozean und wird demnächst wohl den Suezkanal passieren - dagegen spricht nur, daß der Flugzeugträger Kirov zu groß ist, um den Kanal zu passieren …
     Ein anderer möglicher Zielort ist die vor kurzem eingerichtete Marinebasis in Barcelona, die die spanische Regierung den Sowjets zugestanden hat …
     Der Faktor, der mit den beiden genannten Vermutungen am wenigsten in Einklang zu bringen ist, ist der Umstand, daß dem Konvoi fünfzehn große Transporter angehören (Ladung bis jetzt unbekannt) …«
     Nachdem er die Kopien des Berichts abgeschickt hatte, sagte Browne zu seinem deutschen Stellvertreter: »Im Augenblick ist alles nur heiße Luft. Ich habe nicht den geringsten Hinweis darauf, was sie vorhaben. Wir werden das alte Spiel spielen müssen: Abwarten …«
    Guy Florian hielt seine Rede in Marseille um zwölf Uhr mittags. Zur entsprechenden Ortszeit in Moskau hörte das erweiterte Politbüro, das in aller Eile zusammengerufen worden war, einer kurzen Rede des Generalsekretärs der KPdSU zu. Unter den Anwesenden waren der Außenminister der Sowjetunion sowie Verteidigungsminister Gregorij Pratschko. Diese zwei Männer hatten zusammen mit dem Generalsekretär die Entsendung des sowjetischen Kommandos in den Westen genehmigt.
     Der Generalsekretär enthüllte dieser erweiterten Runde die Identität des Franzosen, den er ›unseren Freund‹ nannte. Er fuhr fort und nannte Einzelheiten des französisch-sowjetischen
     Pakts, der während der Anwesenheit Präsident Florians in Moskau verkündet werden solle. »Der Präsident der Französischen Republik hat auf Grund der französischen Verfassung natürlich das Recht, Verträge mit anderen Mächten auszuhandeln und zu schließen«, fuhr er fort.
     Paragraph 14 des Vertrags sei das Kernstück der Vereinbarung. Dieser Passus besage, daß zur Förderung des Weltfriedens gemeinsame militärische Manöver von Zeit zu Zeit auf den jeweiligen Territorien der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und der Französischen Republik abgehalten werden sollten. Das heiße im Klartext, daß die Vorausabteilungen zweier sowjetischer Panzerdivisionen, die sich jetzt an Bord der Transporter des Konvois K12 befänden, in wenigen Tagen in französischen Mittelmeerhäfen an Land gehen würden.
     »Wohin werden sie gehen?« fragte Nikolaj Suslov, der Intellektuelle unter den Mitgliedern des Politbüros.
    »Das werde ich Ihnen sagen!« Es war der immens breitschultrige Sowjetmarschall Gregorij Pratschko, in voller Uniform und mit Orden geschmückt, der antwortete. Pratschko hatte eine herzliche Abneigung gegen unpraktisch veranlagte Intellektuelle, und seine Abneigung gegen Suslov war besonders groß. »Sie werden in Toulon und Marseille an Land gehen, sobald Florian in Moskau den Abschluß des Pakts verkündet hat. Der

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