Nummer Drei: Thriller (German Edition)
versprach ich. »Danke. Vielen Dan k …«
Aber er war schon verschwunden.
15 Am nächsten Tag schlich ich bedrückt umher und dachte über Farouz nach.
Ich dachte:
Mag er mich?
Steht er auf mich?
Bin ich allein mit dem Gefühl, es liege eine elektrische Ladung in der Luft, wenn er sich in der Nähe aufhäl t ?
Ich kann mir vorstellen, dass viele Menschen sich ähnliche Gedanken machen, aber sicherlich nicht in Bezug auf Piraten, und dafür sollten sie dankbar sein.
Irgendwie mochte ich einfach nicht glauben, dass er an mir interessiert war. Wie ich schon sagte, ich bin nicht sonderlich attraktiv. Das Ungewöhnlichste an mir sind die grauen Augen, die ich von meiner Mutter geerbt habe. Sie sind wirklich grau, und das ist eine seltene Farbe. Wie das Meer, sagte mein Dad immer.
Natürlich kommt es nicht nur aufs Aussehen an – die wahre Schönheit liegt im Innern und dieser ganze Mist –, aber ich bin auch kein besonderer Mensch. Das muss ich begreifen, und es ist wichtig, dies zu betonen. Ich erzähle diese Geschichte, aber dabei interessiert mich die Geschichte und nicht meine eigene Person. Ich habe keine charmanten Eigenarten und nicht einmal ein erwähnenswertes Hobby. Ich kann nicht malen, nähen oder ein Blog schreiben, ich gehe nicht mal besonders gern einkaufen. Ich habe weder ein Telefon, das wie ein Hamburger geformt ist, noch einen unsichtbaren Freund.
Das einzig Interessante an mir war früher die Tatsache, dass ich sehr gut Geige spielte, aber damit habe ich aufgehört.
Wenn man es genau nimmt, habe ich mich seit dem Ereignis sogar bemüht, keine Person mehr zu sein. Ich habe keine eigene Meinung, ich werde nicht mehr wütend. Ich habe keine Ziele und strebe nach gar nichts. Ich existiere einfach nur.
Außerdem hatte Mom früher genug Eigenarten für uns beide zusammen. Manche Leute sagen von sich, sie hätten womöglich eine kleine Zwangsstörung, weil sie alles immer hübsch sauber mögen. Diese Leute hätte ich gern zu uns eingeladen, um ihnen zu zeigen, wie eine Zwangsstörung wirklich aussieht. Die Leute vergessen, dass da das Wort Zwang drinsteckt. Sie stellen sich vor, es sei damit getan, dass sie dauernd etwas zählen, sich dreimal vergewissern, ob das Licht ausgeschaltet ist, und alles peinlich sauber halten. Das alles war natürlich auch bei meiner Mom so. Das Licht musste dreimal an- und wieder ausgehen, und sie überprüfte zweimal den Herd, ehe sie ins Bett ging. Den Kühlschrank auch – das erste Mal, um sich zu vergewissern, dass er lief, und das zweite Mal, um sicher zu sein, dass er geschlossen war. In einer Fernsehserie wirkt so etwas mitunter ganz witzig.
Aber der zwanghafte Anteil, das war ihre Angst vor einem Unglück und vor Ansteckung. Jedes Mal, wenn sie jemandem die Hand gegeben hatte, musste sie sich die Hände waschen, und die Lebensmittel, die ein anderer berührt hatte, warf sie in den Müll. Essen, das ihr jemand anbot, lehnte sie grundsätzlich ab.
Ich sah meine Mom auf Händen und Knien in der Küche, wie sie den Boden mit Drahtwolle abschrubbte, bis ihre Hände bluteten. Ich sah, wie sie sich mit einem Schnitzmesser große Wunden im Arm zufügte, weil ich unartig gewesen war und sie einer Freundin gegenüber schlecht über mich geredet hatte. Sie dachte, Gott werde mich ihr zur Strafe wegnehmen. Ich musste einen Krankenwagen rufen, und Jahre später waren auf ihrem Unterarm immer noch glänzende Narben zu erkennen.
Ich sah sie, wie sie sich laut kreischend die Haare raufte, weil wir zu einer Familienfeier wollten und sie nicht wusste, was sie anziehen sollte.
Ich sah sie drei Tage hintereinander im Bett liegen und weinen.
Ich hörte, wie sie Dad androhte, sie werde ihn töten und ihm im Schlaf den Bauch aufschlitzen, weil er, drei Autostunden von zu Hause entfernt, nicht umkehren wollte, damit sie die Regler des Küchenherds überprüfen konnte.
All dies sah ich, und ich war ganz glücklich damit, still und für mich zu sein und keine Eigenarten zu haben. Außerdem bin ich ein Mensch, der lieber mit anderen Leuten ausgeht, als allein meinen Kram zu machen. Ich war lieber draußen, als allein Musik zu hören. Auch wenn das Ausgehen keine besonders gute Auswirkungen auf mich hatte, und das war ein weiterer Grund dafür, dass die Direktorin von mir die Nase voll hatte. Wahrscheinlich habe ich mir im East End bei bassbetonter Tanzmusik, die den Boden zum Beben brachte und mir das Trommelfell zerfetzte, zu viele Nächte um die Ohren geschlagen.
Auf der
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