Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden
geschnittenes Haar stand vom Kopf ab, seine gelblichen Augen glitzerten. Ich wusste nur nicht, was sie so glitzern ließ. War es etwa Bosheit?
»Hallo, Alex«, sagte ich ruhig.
»Maggie.« Er war ja so höflich. Natürlich war er höflich. Mein Alex konnte einen wütenden Bären bezirzen, wenn er wollte. »Ich möchte, dass du Serena kennenlernst.«
Serena war superdünn und hatte gebleichtes blondes Haar. (Er ließ auch kein Klischee aus.) Ihre teuren Stiefel hatten extrem hohe Absätze. Und doch überragte Alex uns beide mühelos. Sie sah mich an, musterte mich von oben bis unten, dann lächelte auch sie. Ein langsames, selbstgefälliges Lächeln, das sich über ihr wie gemeißelt wirkendes Gesicht ausbreitete. Ich zog meinen alten roten Mantel fester um mich, fror aber trotzdem. Das Mädchen reichte mir anmutig die Hand. Ihre Handschuhe waren so weich, dass sie sich wie Butter anfühlten.
Fassungslos starrte ich das frisch verliebte Pärchen an. Wenn Alex nicht bald aufhörte, so blöde zu grinsen, würde ich ihm sein bereits gebrochenes Nasenbein noch einmal zertrümmern. Ich ballte die Fäuste. Die beiden gingen weiter, auf Bel und Johnno zu, um das glückliche Paar zu begrüßen. Ich stand allein da auf der windigen Kings Road, allein, obwohl Tausende fremde Menschen an mir vorbeieilten.
Während der gesamten Hochzeitszeremonie in dem kleinen Raum, der nach Bels roten Rosen roch, konnte ich mich kaum konzentrieren. Als ich meinen Text vorlesen sollte, einen Ausschnitt aus Der Prophet von Khalil Gibran, in dem es heißt: »Liebet euch, aber schmiedet der Liebe kein Band, sondern lasst sie wogen wie das Meer eurer Seelen«, musste Bels Mutter mich anrempeln, weil ich fast meinen Einsatz verpasst hätte. Ich versuchte meiner Stimme die Spannung nicht anmerken zu lassen, unter der ich stand, versuchte, das Zittern meiner Hände zu unterdrücken. Ich stand sehr aufrecht da - obwohl mir mein Fuß mindestens ebenso wehtat wie mein Kopf - und vermied es, in die Richtung zu sehen, wo Alex und Serena saßen. Und ich versuchte diese Zeilen über die Liebe mit Gefühl zu lesen, als wäre ich nicht eben in jenem Meer versunken, das Gibrans Prophet beschreibt. Als ob ich tatsächlich an die Liebe glauben würde, als ob ich nicht der festen Überzeugung wäre, dass Liebe töten kann.
Zumindest hatte Alex so viel Anstand, die anschließende Feier nicht mit seiner Anwesenheit zu verderben. Er wusste ja, dass er einen erfolgreichen Auftritt gehabt hatte. Er und Serena verschwanden im Gewimmel der Weihnachtsshopper, ihre buttrige Hand in seiner großen, winkend. Ich spürte, wie viel er sich auf seine neue, maßgeschneiderte Eleganz einbildete. Ich war am Boden zerstört. Irgendwie überstand ich die Feier. Ich aß ein wenig von der Enten-Pâté, die es als Vorspeise gab, ein bisschen von dem Lachs und beerdigte alles mit einer Unmenge des ausgezeichneten Weins. Ich dachte an Bel und wie unglücklich sie gewesen war, als sie mit Hannah plötzlich allein dastand. Und wie ihr Leben sich dann verändert hatte. Als schließlich alle ihre Rede gehalten hatten - ich war schon ziemlich betrunken -, umarmte ich sie und drückte sie fester als je zuvor.
»Ich freue mich ja so für dich, Liebes«, sagte ich. Ihr spitzes kleines Gesicht strahlte so viel Glück aus, dass ich fast weinen musste.
»Ich bin so glücklich«, meinte sie. »Ich kann es noch gar nicht glauben. Manchmal muss ich mich richtiggehend zwicken.«
»Es ist also doch möglich. Gute Menschen bekommen, was sie verdienen. Manchmal zumindest.«
Sie drückte meinen Arm. »Das kommt für dich auch noch. Da bin ich ganz sicher. Wirklich, meine liebe Maggie.« Voller Ernst sah sie mich an. »Es tut mir so leid wegen Alex. Er war gar nicht eingeladen. Ich hab’s Johnno ausdrücklich verboten, als er ihm eine Einladung schicken wollte.«
»Ist schon in Ordnung, Bel. Es ist ja nicht deine Schuld, dass er plötzlich dastand.«
»Nun, mir wäre es lieber gewesen, er wäre nicht gekommen. Er wusste genau, dass er dir wehtun würde. Lieber Himmel, nach allem, was er …«
»Sprich nicht davon, bitte«, fiel ich ihr ins Wort. »Es ist in Ordnung. Irgendwie muss ich ja weitermachen, nicht wahr?«
Wieder drückte sie meinen Arm. »O Gott, Maggie. Ich werde dich so vermissen.«
»Ach, Bel. Lass uns das Thema wechseln. Denken wir lieber an erfreuliche Dinge.« Der feine Bruch in meiner Stimme war kaum hörbar. »Du bist ja noch eine Weile hier.«
»Und es ist ja nicht
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