Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden
für immer und ewig.«
»Das ist auch gut so.«
»Und du kommst doch zu unserer Abschiedsparty?«
Hannah tänzelte auf uns zu, ihre Engelsflügel schimmerten im Kerzenlicht. »Warum weint ihr denn?« Sie betrachtete mich genauer: »Du siehst aus wie ein Panda, Tante Maggie. Wie der im Zoo, den Johnno mir gezeigt hat. Der dicke, der sich am Hintern kratzte.« Sie schob ihre winzige Hand in meine. »Hör doch auf zu weinen.«
»Ich weine ja gar nicht. Ich lache. Ich weine nie.«
»Und warum kommt dann Wasser aus deinen Augen?«
»Ach, Hannah.« Ich hob sie hoch und umarmte sie ganz fest. Sie roch nach Keksen und frisch gewaschener Wäsche. »Für eine so kleine Person stellst du ganz schön viele Fragen.«
Dann ging ich allein nach Hause, genauer gesagt zum Haus meines Vaters. Als ich die Tür öffnete, klingelte das Telefon. Doch sobald ich die Hand danach ausstreckte, hörte das Läuten auf. Da mein Vater unterwegs war, um seine Freundin Jenny vom Flughafen abzuholen, öffnete ich eine Flasche aus seiner Weinclub-Premium-Auswahl und trank, bis ich einschlief.
Kapitel 7
DAVOR: JUNI
Ich hatte geträumt, tot zu sein. Es war so ein unglaublich lebhafter Traum. Als ich aufwachte, war ich mir nicht ganz sicher, ob ich tatsächlich noch unter den Lebenden war. Ein enormes Gewicht drückte mir auf den Magen. Ein zu krampfhaftem Grinsen verzogenes Gesicht starrte mich an, bis ich mich panisch an die Oberfläche kämpfte. Ich ruderte auf dem Bett herum wie ein Läufer, der sich im Zielband verheddert hat. Ein Laut tiefster Angst entrang sich meiner Brust.
Offensichtlich war ich nicht tot. Außer der Himmel bestand aus einem eiscremefarbenen Vorhang, der ein schmales Bett umhüllte. Oder aus einem Vorhangspalt mit Fenster, hinter dem sich Regenwetter zeigte. Der Raum war rechteckig und hatte grau gestrichene Wände. Ein Schlafsaal. Eine Krankenstation. Ich war nicht tot. Es sei denn, Engel tragen eine blaue Schwesternuniform und lächeln freundlich auf die Neuankömmlinge herab.
»Sie haben keinen Heiligenschein«, stellte ich fest. »Nicht wahr?«
Die Frau beugte sich vor, damit sie mich besser hören konnte. Offensichtlich wollte meine Stimme nicht aus meinem trockenen, wunden Hals kommen. Ich versuchte zu lächeln, aber Lächeln tat noch mehr weh. Versuchsweise hob ich die Hand und berührte damit mein Gesicht. Meine Hand schien irgendwie erfroren.
»Ihre Lippen wurden genäht.«
Sie nahm meine Hand und legte sie wieder neben mich. Die Haut der Schwester war wunderschön, dunkel und cremig wie ein frisch gezapftes Guinness. Unwillkürlich hob ich die Hand, um über ihren Arm zu streichen, doch bevor ich das noch konnte, hatte sie meine Hand schon wieder unter die Bettdecke geschoben. Allein diese sanfte Berührung schmerzte. Mein ganzer Körper tat weh. Langsam fiel mir auf, dass jeder Teil meines Körpers irgendwie wund war.
»Aber es sind nur ein paar Stiche.«
Ich dachte, die Schwester würde noch etwas hinzufügen, etwas wie »Sie werden in null Komma nichts wieder auf den Beinen sein«, aber sie sagte nichts. Und außerdem gab es ja gar kein Nullkommanichts. Da kam mir plötzlich eine Idee.
»Habe ich den Verstand verloren?«, fragte ich höflich. »Ist das ein Irrenhaus?« Dieses Mal verstand sie, was ich sagte.
»Nein, Maggie. Sie sind nicht verrückt. Sie hatten nur einen Unfall und sind jetzt im Krankenhaus.«
»Einen Unfall?«
»Bitte schieben Sie doch den Ärmel hoch, damit ich Ihren Blutdruck messen kann. Können Sie mir sagen, wie es Ihnen heute geht?« Ihre Frage war freundlich gemeint, aber ich konnte sie tatsächlich nicht beantworten. Ich wusste es nicht. Verständnislos sah ich sie an. Ruhig war ich jedenfalls. Ruhig, aber doch ziemlich verwirrt.
»Sie haben einen Schock, meine Liebe. Und der Arzt hat Ihnen ein Schmerzmittel verabreicht.« Die Schwester zog das Band um meinen Arm herum fest, bis es zwickte. »Morphium.«
»Aua. Ich kann nicht …« Ich sah sie wieder an. »Ich weiß nicht, was passiert ist. Das ist doch seltsam. War da …« Ich hielt inne.
»Was?«, fragte die Krankenschwester. »Was wollten Sie sagen, Maggie?«
»Ich muss immer an ein Pferd denken. Bin ich vom Pferd gestürzt?« Aber ich erinnerte mich nicht, tags zuvor zum Reiten gegangen zu sein. Vor Jahren hatte ich mal Reitstunden, irgendwo auf dem Land. Ich weiß noch, wie meine Mutter mir am Schultor zuwinkte. Das musste also schon ziemlich lange her sein. Ich wusste, dass mein Reithelm zu groß
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