Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden
»Sie erinnern sich natürlich noch an mich. Vom Sommer her.«
Ich wünschte, dem wäre tatsächlich so. »Woran arbeiten Sie denn gerade?«
Er kam allerdings nicht dazu, mir eine Antwort zu geben, denn in diesem Moment steckte Charlie seinen Kopf herein.
»Miss Warren. Es wurde ja auch Zeit, wie es ein weniger geduldiger Zeitgenosse vermutlich ausdrücken würde.«
»Hallo, Charlie.«
»Alles in Ordnung? Freust du dich, wieder da zu sein?« Er schob sich lässig durch die Tür, dabei sah ich die Mappe in seiner Hand. Sie sah irgendwie unsympathisch aus.
»O ja, ich freue mich ja so.« Mein Lächeln war genauso echt wie Charlies Siegelring. Der blonde junge Mann schlich aus dem Zimmer, offensichtlich irritiert, weil Charlie ihn einfach ignoriert hatte.
»Seltsamer Knabe«, meinte mein Chef, während er sich auf die Ecke meines Schreibtisches setzte und dabei die Willkommenskarte meiner Kollegen beiseiteschob.
»Ja, er scheint ein wenig merkwürdig«, stimmte ich ihm zu und legte die Karte zur Seite.
»Wie auch immer, Liebes, wir müssen über die Show reden.«
Das Telefon läutete, ich nahm ab, glücklich über die Unterbrechung. »Maggie Warren.« Niemand antwortete. »Hallo? Hallo?« Schließlich legte ich auf.
»Sieh mal, ich habe mit dem Team über die Trennungs-Show gesprochen.« Charlie bewunderte sich in der Scheibe des Glasschranks hinter mir und rückte seinen Kragen zurecht. »Alle finden die Idee super.«
Das bezweifelte ich.
»Aber wir brauchen natürlich irgendein berühmtes Paar für den Einstieg. Setz Donna darauf an.«
»Ach, Charlie, komm schon.« Ich lachte. »Niemand, der im Rampenlicht steht, wird seinen Partner live abservieren. Das tun nicht einmal die Billigchargen auf der Celebrity-Liste.«
»Wirklich? Und Jade Goody? Oder die kleine Blonde aus der Serie East Enders , die sich immer in den Clubs rumprügelt …«
Ich kämpfte gegen den Impuls an, meinen Kopf auf die Tischplatte sinken zu lassen. »Wenn du meinst«, murmelte ich.
»Maggie, du musst endlich aufhören, dir selbst Knüppel zwischen die Beine zu werfen, okay? Du weißt, dass du das kannst.«
»Da bin ich mir nicht so sicher. Ich bin ja noch gar nicht richtig hier, Charlie.« Doch er sah mich unverwandt an.
»Dann solltest du das ändern, meine Liebe. Denn Sally und Donna hätten nichts lieber als deinen Job.« Charlie ließ die Mappe auf meinen Tisch fallen. Ein Foto fiel heraus. »Ich kann sie nicht länger hinhalten.«
Das Foto … es sah aus wie …
»Ist das …?« Ich zog das Bild näher zu mir heran.
»Was? Ja, das ist deine kleine Freundin. Sie würde alles tun, um in irgendeine Show zu kommen. Ich mag es, wenn sie so nach dem Rampenlicht lechzen. Du nicht auch?«
Ich sah mir das Schwarz-Weiß-Foto genauer an. Fay.
Irgendwie kämpfte ich mich durch den ersten Tag, auch wenn ich den Stundenzeiger der Uhr ständig anstarrte und ihn anflehte, doch ein wenig schneller auf die Sechs zu rücken. Erleichtert stellte ich fest, dass ich keineswegs alles vergessen hatte, obwohl mein Gedächtnis und meine Konzentrationsfähigkeit noch nicht zu alter Form aufgelaufen waren.
Etwa um fünf Uhr nachmittags atmete ich einmal tief durch und machte den Anruf, den ich schon die ganze Zeit vor mir herschob. Sie war total begeistert, etwas von mir zu hören.
»Keine Sorge, Maggie. Charlie hat mir alles erklärt. Ich verstehe das so: Du weißt, du liebst jemanden … und trotzdem ist es richtig, sich von dieser Person zu trennen.«
Einer von Charlies Geniestreichen.
»Ich muss aber zuerst mit Troy reden. Hören, was er so zu sagen hat. Aber Charlie meinte ja, es wäre die Sache wert.«
»Das glaube ich sofort«, nuschelte ich. »Wissen Sie, Fay, Sie sollten sich das wirklich noch einmal genau überlegen.«
»Das habe ich schon.«
»Haben Sie sich schon mal gefragt, wie Troy es aufnehmen wird, wenn Sie ihm so vor versammeltem Fernsehpublikum den Laufpass geben? Da gibt es kein Zurück mehr.«
Ich traute meinen Ohren kaum. Ich, die ich normalerweise verzweifelt versuchte, die Leute zu Dingen zu überreden, die ich selbst nie im Leben in einer Live-Show tun würde.
Aber Fay schien quietschvergnügt wie immer. »Er weiß doch, dass sich etwas abzeichnet. Und er wäre sicher auch gern im Fernsehen, wissen Sie.«
»Ja, Fay. Aber das hier ist die Wirklichkeit, kein Film oder so etwas.«
»O ja, das weiß ich doch.« Ich konnte mir ihr verträumtes Lächeln vorstellen. Ich hatte das beunruhigende Gefühl, dass sie
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