Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden
wirklich ziemlich verrückt war. »Er wird sich für mich freuen. Er weiß, dass ich gerne berühmt wäre.«
»Berühmt?«
»Seit der Show erkennen mich die Leute auf der Straße. Es ist ja so aufregend.«
In mir krampfte sich alles zusammen. »Hören Sie mal, Fay. Ich kann Sie jederzeit in eine andere Show bringen. Sie müssen sich nicht von Ihrem Freund in einer Live-Show trennen, um berühmt zu werden. Wirklich nicht.« Ich war so angespannt, dass mein Kopf zu schmerzen begann.
»Es geht doch nicht darum, ihm den Laufpass zu geben«, erwiderte sie. »Ich sage nur einfach die Wahrheit. Und Charlie hat versprochen, dass er sich um mich kümmert.«
Es war zu spät. Sie war nicht mehr zu retten. Charlie hatte ihr eine Gehirnwäsche verpasst.
Schließlich trennten Fay und Troy sich nicht erst vor laufender Kamera, sondern schon lange zuvor. Fay trat in einer Show auf, die von Sally produziert wurde. Sie hieß: »Ich würde alles dafür tun, berühmt zu werden.« Fay zeigte das Unfallfoto, das ich schon kannte, und weinte ein bisschen. Dann übte sie sich eher unschuldig im Pole-Dancing. Daraufhin nahm sie eine Model-Agentur unter Vertrag. Ich sah mir nebenher die Show im Büro an, während ich die Verträge für eine drogenabhängige Schauspielerin unterzeichnete, die für einen Haufen Geld nächste Woche in einer Show ihre Suchtprobleme schildern würde. Plötzlich hörte ich meinen Namen. Ich nahm einen Schluck Kaffee und stellte den Fernseher lauter.
»Ja. Wie schon gesagt: Ohne meine neue Freundin wäre ich gar nicht hier. Schlechtes führt immer auch zu Gutem. Zumindest glaube ich das. Ich bin so froh, dass ich das Glück hatte, sie kennenzulernen.« Nun sah Fay direkt in die Kamera und streichelte sie mit ihrem samtigen Blick. »Maggie, ich möchte Ihnen danken. Nicht nur, weil Sie mich im Bus gerettet haben, sondern auch, weil Sie mir den richtigen Weg zeigten. Alles Gute!« Mit diesen Worten hob sie ein imaginäres Glas und prostete der Kamera zu.
Ich wäre fast an meinem Kaffee erstickt. Natürlich läutete sofort das Telefon. Doch bis ich den verschütteten Kaffee aufgewischt hatte und abheben konnte, hatte das Klingeln aufgehört. In der Show ging Renee schnell über Fays Kleinmädchenpsychologie hinweg. Außerdem würde sie wirksam unterbinden, dass Fay weiterhin ein Loblied auf mich sang. Und das war aus meiner Sicht auch gut so.
Irgendwie hatte ich ein merkwürdiges Gefühl bei der Sache. Fast hatte ich Fay gegenüber Schuldgefühle, weil sie mir stets diese Gänsehaut verursachte. Ich hoffte inständig, von ihr nichts mehr sehen oder hören zu müssen. Aber ich vergaß sie recht schnell, denn bald beschäftigten mich gewichtigere Probleme.
Kapitel 9
Seit Alex und ich uns getrennt hatten, waren mir die Sonntage verleidet: lange Tage voller Einsamkeit, die Erinnerungen an glücklichere Zeiten hervorriefen. Wie sehr ich auch versuchte, meine neu gewonnene Freiheit zu genießen, ich fühlte mich nur traurig und allein, wenn ich mit Digby über die grünen Hügel im Greenwich Park wanderte oder mir inmitten von Bels kleiner Familie wie das fünfte Rad am Wagen vorkam.
Als mein Vater mich am Sonntag auf dem Weg zu seiner Freundin beim Altersheim absetzte, war mein Herz nicht nur von Selbstmitleid, sondern auch von einer ordentlichen Portion Schuldgefühle erfüllt. Ich hatte meine Großmutter seit dem Sommer, in dem ich mich selbst verloren hatte, nicht mehr besucht. Ich hielt mich von ihr fern, während ich versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. Jetzt allerdings wollte ich sie unbedingt sehen. Ich sehnte mich nach ein wenig Ruhe und Heiterkeit. Ich wollte für einen kurzen Augenblick wenigstens der Gegenwart entfliehen.
Das Pflegepersonal war wie immer sehr freundlich, als ich ankam. Vermutlich waren sie froh, mal jemanden diesseits der siebzig zu sehen.
»Wie geht’s denn der bösen Renee?«, scherzte Susan. Ein breites Lächeln überstrahlte ihr Gesicht, das trotz des Verfalls um sie herum, trotz des durchdringenden Uringeruchs stets fröhlich blieb. Natürlich fanden die Schwestern es ungeheuer aufregend, dass ich beim Fernsehen arbeitete. Ich widersprach ihnen nicht, denn verglichen mit dem, was sie Tag für Tag taten, war mein Job spannend: Sie schaufelten Essen in faltige Münder, lauschten auf das schwache Röcheln der Bettlägerigen, beruhigten die Hysterischen ebenso wie die Einsamen. Anziehen, Ausziehen, Waschen, Abtrocknen und wieder Anziehen. Wie sollte ich mich da
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