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Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Titel: Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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ich fast aufgelacht hätte. Er legte leichte Musik auf und dimmte das Licht. Über dem Kamin rekelten sich zwei nackte Frauen auf einem Bild, eng ineinander verschlungen. Ich legte den Kopf schief und versuchte, mehr zu erkennen. Eigentlich sah es eher so aus, als kämpften sie miteinander.
    »Gefällt’s dir, Liebes?« Charlie folgte meinem Blick, als er mich auf das weiche Ledersofa bugsierte, in dem mein Hintern bald viel tiefer saß als meine Knie. Er goss mir einen ordentlichen Cognac ein. »Stehst du auf so was, Maggie?«
    »Lieber Gott, nein.« Ich verschluckte mich fast an meinem Cognac. Von meinem jetzigen Blickwinkel betrachtet war ziemlich klar erkennbar, dass die beiden Damen nicht miteinander kämpften. »Ich bin in der Beziehung durch und durch normal.«
    »Wirklich?« Seine Augen glitzerten wie die einer Schlange, kurz bevor sie zubeißt. »So genau weiß man das nie, Kleines. Bis zu diesem Sommer dachte ich, ich kenne dich. Eigentlich glaubte ich danach, du wärst dabei …«
    Schnell wechselte ich das Thema. »Also kein Tigerfell, was, Charlie?«
    »Was?« Er sah mich stirnrunzelnd an.
    »Ach nichts.« Der Cognac brannte in meiner Kehle. »Kannst du bitte das Taxi rufen? Ich bin total fertig.«
    »Schon erledigt, Liebes.« Charlie saß rechts von mir und ließ den Arm hinter mir auf der Lehne ruhen. Ich musste mich nach vorn beugen, um ihn nicht zu berühren. Ich konnte sein Haaröl riechen, als ich mich millimeterweise von ihm wegbewegte. Bis ich an der seitlichen Sofalehne anstieß.
    »Ist Jeffrey Archer immer noch dein Nachbar?«, fragte ich verzweifelt.
    Er hob die linke Braue. »Bist du ein Fan von ihm?«
    »Wohl kaum«, antwortete ich indigniert. »Hör mal, gib mir doch einfach die Nummer von der Taxizentrale, dann rufe ich noch mal an. Ich muss jetzt wirklich nach Hause.«
    Aber Charlie hörte nicht zu, weil er sich nämlich auf mich stürzte. Charlie, mein gottverdammter Mentor, mit dem ich jahrelang zusammengearbeitet hatte, den ich noch nie hatte abwehren müssen, obwohl er immer so unzüchtig tat. Ich war einfach nicht sein Typ - nicht blond und nicht vollbusig genug. Bevor ich mich noch bewegen konnte, war er über mir und steckte mir seine Zunge in den Hals, sodass ich kaum mehr atmen konnte. Das Ding schien ein Eigenleben zu haben. Mir wurde fast schlecht.
    »Charlie, verdammt noch mal, geh runter.« Irgendwie schaffte ich es, ihn wegzustoßen. Angeekelt wischte ich mir mit der Hand über den Mund.
    »Ich dachte, du magst die Gefahr, meine Liebe.« Vollkommen ungerührt stand er auf und strich sich mit der siegelberingten Hand das Haar zurück. Dann goss er sich aus der Dekantierkaraffe Cognac nach. Er verschüttete keinen Tropfen. Mir aber schenkte er nicht mehr ein. »Jetzt tu doch nicht so, als hätte es dir nicht gefallen, Maggie.«
    Fassungslos starrte ich ihn an. Dann brach ich in Gelächter aus. Ich lachte und lachte, bis ich zu weinen anfing und nicht mehr aufhören konnte. Mein Make-up löste sich in schwärzliche Tropfen auf, die sein cremefarbenes Ledersofa verunstalteten, und meine Nase begann zu laufen. Charlie rutschte ein wenig auf seinem Sessel hin und her. Dann stand er auf und starrte aus dem Fenster auf die Lichter Londons, auf das Glitzern der nächtlichen Themse und auf die gewaltige Tate Gallery genau gegenüber. Er drehte an seinem Ring.
    »Es tut mir leid«, sagte er schließlich, als ich langsam ruhiger wurde. Er fischte ein monogrammbesticktes Taschentuch heraus und reichte es mir. »Das war vielleicht ein wenig grob. Aber ich muss schon sagen …« Seine rechte Hand tätschelte meinen Oberschenkel unter der grünen Seide. »Ich fand, du sahst noch nie so gut aus. Du hast eine Verwundbarkeit an dir, die ich früher nie bemerkt habe.«
    Lautstark putzte ich mir die Nase. »Die du glaubtest, ausnutzen zu können?«
    »Nein, meine Liebe. Ich bin kein Raubtier.« Er stand auf und griff nach dem Telefon. »Wo zum Teufel bleibt eigentlich dieses Taxi?«
    Charlie verabschiedete sich nicht von mir, als ich in den Lift flüchtete. Stattdessen schlug er die schwere Tür mit solcher Wucht hinter mir zu, dass sie im Rahmen erzitterte.
     
    Am nächsten Morgen hatte ich einen Kater. Um Digby Auslauf zu verschaffen, ging ich in den Greenwich Park in der Hoffnung, dass die frische Luft auch den Dunst von letzter Nacht wegblasen würde. Ich marschierte den Hügel zum Observatorium hinauf, mitten über die Wiesen, um den Blick auf die Stadt zu genießen und mich in aller Ruhe

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