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Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Titel: Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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stecken blieb. Dann machte ich die Küche sauber und fing an zu kochen. Ich zauberte ein Zitronenhuhn mit Knoblauchkartoffeln und einen Streuselkuchen mit Rhabarber und selbstgemachter Eiercreme. Hier wäre sogar Jamie Oliver vor Neid erblasst, hatte ich doch die Eier in exakt der richtigen Weise in die Milch gerührt, sodass die Creme sämig wurde. Dann entkorkte ich den Wein, weil mein Vater ja bald kommen sollte. Ich hatte alle Register gezogen, um Jenny zu zeigen, dass ich ihr wegen des Klaviers nicht böse war. Ich mochte sie. Vor allem aber war mir daran gelegen, die möglicherweise letzte Chance meines Vaters auf Glück nicht kaputt zu machen.
    Als die beiden ankamen, überreichte Jenny mir einen großen Kaktus.
    »Ach, wie nett.« Ich umarmte sie und hoffte inständig, dass der Kaktus nicht symbolisch gemeint war. »Vielen Dank.«
    »Gern geschehen.« Sie roch gut. Anheimelnd nach Shampoo und L’Air du Temps von Nina Ricci. Ein bisschen mütterlich. »Er braucht kaum Pflege, deshalb habe ich ihn ausgesucht.« Sie war ein bisschen schüchtern. »Ich dachte, das wäre genau das Richtige für geschäftige Medienleute.«
    »Nun, wie geht es dir denn jetzt in der Wohnung?«, fragte mein Vater nach dem Essen, während er sich über den Streuselkuchen hermachte und Jenny in der Küche den Abwasch erledigte.
    »Alles okay, Dad, wirklich.« Ich stand auf und sammelte die restlichen Teller ein. Ich konnte ihm ja schließlich nicht sagen, wie sehr die Erinnerung mich schmerzte. Dass ich jedes Mal, wenn ich durch das Wohnzimmer ging, Alex mit seinen Kopfhörern auf dem Sofa sitzen sah. Er machte Skizzen und winkte mir fröhlich zu, während ich ein Chili oder Spaghetti Bolognese kochte. Dass ich ständig seine Anwesenheit spürte. Dass ich ihn vor mir sah, wie er die Treppen heraufgestürmt kam, Digby im Schlepptau, und mich in die Arme nahm. Mich küsste, als hätte er gerade erst entdeckt, wie schön das Leben ist. Ich konnte ihm nicht sagen, dass ich in dieser Wohnung einige der glücklichsten Tage meines Lebens verbracht hatte. Die Erinnerungen waren noch so quälend klar und deutlich.
    Ich kämpfte die Tränen nieder, die sich in meine Augen stehlen wollten, als mein Vater mir seinen Teller reichte. »Das Leben geht weiter, oder nicht? Ich muss einfach vorwärts schauen, nicht zurück. Das hast du mir doch immer gesagt!« Meine Worte klangen so spröde und leer, wie ich mich fühlte - doch der angespannte Ausdruck auf dem Gesicht meines Vaters verflüchtigte sich.
    »Das ist mein Mädchen!«, sagte er stolz und tätschelte liebevoll meinen Arm. In diesem Augenblick verhakte sich mein Fuß in seinem Stuhlbein, ich stolperte und ließ die Kuchenform fallen.
    Als ich die Scherben aufkehrte, bot Jenny an, mit Digby Gassi zu gehen. Sie hatte ihn häufig für mich ausgeführt, als ich mich von dem Unfall erholte. Ich hasste die beißende Kälte. Außerdem musste ich für die nächste Show noch einiges vorbereiten, und so nahm ich dankend an. Ich fühlte mich mit einem Mal erschöpft. Überdies tat mir das Bein weh. Ich sank auf das Sofa und schloss die Augen, wenigstens für einen kurzen Augenblick …
    Im Traum spielte ich mit meiner Mutter Krocket auf dem grünen Rasen von Pendarlin. Jemand hämmerte die Drahtbügel in den Boden und rief meinen Namen. Erschrocken wachte ich auf, das schweißnasse Gesicht in die Polster des Ledersofas gedrückt. Ich brauchte ein paar Sekunden, bis ich merkte, dass tatsächlich jemand an die Tür hämmerte und meinen Namen rief.
    Als ich mühsam aufstand, begann das Telefon zu läuten. Schlaftrunken nahm ich ab. Es klickte in der Leitung, jemand schien zu wählen. Ungeduldig vor Müdigkeit knallte ich den Telefonhörer auf und ging zur Tür, an die immer noch gehämmert wurde.
    »Gleich. Ich komme ja schon.« Zornig riss ich die Tür auf.
    »Das war aber auch Zeit.« Alex trat an mir vorbei in die Wohnung.
    »Warum kommst du nicht einfach herein?«, meinte ich ironisch an die leere Straße gewandt, an den grauen Himmel und den einzigen Baum, den der Novemberwind längst seiner Blätter beraubt hatte. Über mir hörte ich das Rattern eines Zuges. »Ich dachte, du bist in Glasgow?«
    »Ich muss am Mittwoch zurück sein. Kann ich eine Tasse Kaffee haben?« Er eilte schon die Stufen hinauf zur Küche. »Es ist arschkalt da draußen.« Er blies in seine Hände.
    Langsam folgte ich ihm. Mein Bein schmerzte immer noch. »Hast du einen Kater?« Ich war bissig, weil ich nicht wusste, wie ich ihm

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