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Nur 15 Sekunden

Nur 15 Sekunden

Titel: Nur 15 Sekunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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Männer gemacht, um Gewalt zu säen. Ich fand sie abscheulich, ich fand mich abscheulich, weil ich mich damit beschäftigte, und stellte mir vor, dass Hugo hinter mir standund mir mit angeekelter Miene über die Schulter schaute. Je mehr ich mich in die Materie vertiefte, desto klarer wurde mir, was ich wollte. Oder nein, nicht, was ich wollte: was ich brauchte. Ein perverses Bedürfnis allerdings: Statistiken zufolge gelang es von hundert Frauen, die im Besitz einer Schusswaffe waren, nur einer, sich erfolgreich damit zu verteidigen. Die übrigen wurden mit ihrer eigenen Waffe getötet.
    Eine Kompaktpistole schien mir die beste Lösung zu sein, und ich hatte schon bald die richtige gefunden: eine 45er mit 75   mm Lauflänge, klein und handlich und, wie es hieß, die ideale Handfeuerwaffe für Frauen. Es war eine solide Waffe. Was Courtney wohl dazu gesagt hätte?
    Courtney hätte auch mit Sicherheit längst gewusst, was ich als Nächstes herausfand: dass man nämlich in New York City zum Erwerb einer Schusswaffe eine schriftliche Erlaubnis brauchte und einen Waffenschein, um sie mit sich führen zu dürfen. Es konnte Monate dauern, diese Unterlagen zu bekommen. Ein Befähigungsnachweis über den Umgang mit Schusswaffen war aber seltsamerweise nicht erforderlich. Man brauchte nur ein polizeiliches Führungszeugnis und musste Fingerabdrücke hinterlegen. Alles schön und gut für sogenannte Hobbyschützen – aber für jemanden in meiner Lage? Ich hatte keinen Monat Zeit oder auch nur eine Woche, vielleicht nicht mal mehr einen Tag. Es war sogar möglich, dass mir keine Stunde mehr blieb. Ich wusste schlicht und einfach nicht, wie viel Zeit ich noch hatte.
    Und so rief ich Jesus an, der auf alles eine Antwort wusste, um ihn zu fragen, ob er die Sache angesichts meiner Lage nicht etwas beschleunigen konnte.
    «Sie wollen keine Waffe», sagte er.
    «Doch, ich fürchte, genau das will ich.»
    «Nein, das wollen Sie nicht. Glauben Sie mir.» Dann ratterteer dieselbe Statistik herunter, die ich bereits aus dem Internet kannte.
    «Das weiß ich alles, Jess, aber es steht nun mal so in den Unterlagen dieser Beratungsfirma. Sie wissen doch so gut wie ich   … nein, Sie wissen sogar besser als ich, wie sehr sich die ganze Situation meiner Kontrolle entzieht. Ich sitze hier praktisch auf dem Präsentierteller.»
    «Ist die Alarmanlage schon eingebaut?»
    «Wird gerade gemacht.»
    «Und die Lampen im Garten, die Kamera an der Haustür?»
    «Alles da, aber   …»
    «Vielleicht sollten Sie noch einen Monteur anrufen und sich Eisengitter vor die Fenster machen lassen.»
    «Aber dann sitze ich ja endgültig im Gefängnis! Ich, verstehen Sie? Warum soll ich mich einsperren? Er ist doch der Verbrecher!»
    Das brachte Jess zum Schweigen. Doch ich wusste genau, was er gesagt hätte, wenn er den Mut gefunden hätte weiterzureden: «Um zum Verbrecher zu werden, muss er erst ein Verbrechen begehen.» Ein nachweisbares Verbrechen.
    «Hören Sie», sagte er schließlich. «Sobald er gegen die einstweilige Verfügung verstößt, sperren wir ihn ein.»
    «Und für wie lange?»
    «Ein, zwei Tage.»
    «Das nützt mir ja eine ganze Menge.»
    «Es ist besser als nichts.»
    «Nein, Jess, nach jeder halbwegs gesunden Logik ist es nichts.»
    «Ich weiß doch, in was für einer schrecklichen Lage Sie sich befinden, Darcy. Und ich will Ihnen ja helfen. Ich möchte einfach nur, dass Sie   …»
    «Ich denke, Ben und ich sollten wieder fortgehen. Heute Nachmittag werde ich mit ihm darüber sprechen. Das Problem ist nur, dass Joe uns folgen wird. Das weiß ich. Und deshalb brauche ich eine Pistole. Bitte, Jess, können Sie mir nicht helfen, schneller an einen Waffenschein zu kommen?»
    In dem kurzen Schweigen, das meiner Frage folgte, hatte ich die leise Hoffnung, er könnte doch noch ja sagen. Stattdessen aber gab er mir eine gefasste, professionelle Antwort: «Nein, Darcy, das kann ich nicht. Und ich kann Ihnen auch nur nachdrücklich raten, selbst nichts in die Richtung zu unternehmen.» Doch ich hörte das leichte Zögern in seiner Stimme, den winzigen Zweifel. Schließlich kannte er alle Statistiken, vor allem die, denen man entnehmen konnte, wie schier unmöglich es war, sich eines Stalkers zu entledigen, wenn er erst einmal zu allem entschlossen war.
    Dann musste ich wohl den ganz normalen Weg gehen und persönlich bei der Waffenscheinstelle der New Yorker Polizei vorsprechen, die sich im Polizeihauptquartier mitten in Manhattan befand. Ich

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