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Nur 15 Sekunden

Nur 15 Sekunden

Titel: Nur 15 Sekunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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glitt: weich und nachgiebig wie Wildleder. Was war jetzt unter diesen Verbänden? Im Geiste sah und fühlte ich die wunde, verbrannte Haut. Ich hatte schon Brandopfer gesehen, die nach vielen Operationen längst geheilt waren. Ich kannte die verhärteten Stellen, die Knoten, Narben und Verfärbungen. Die Haut verlor alle Nachgiebigkeit, alles Gefühl, sie wurde zu einem Gebilde, das andere entweder zurückschrecken oder betont darüber hinwegsehen ließ. Als ich jetzt näher an Rich herantrat, als meine Augen sich mit Tränen füllten, die ich schnell wieder wegwischte, erinnerte ich mich an eine Nacht nach Hugos Tod. Ich hatte zu viel Wein getrunken und mich Träumereien hingegeben, aus denen man nur noch deprimierter als vorher erwacht. Ich hatte mir ausgemalt, wie er wohl ausgesehen hätte, wenn er den Unfall überlebt hätte. Die Polizei hatte von einem Feuerball gesprochen. «Er war auf der Stelle tot», hatten sie mir gesagt, wie um mich damit zu trösten, dass Hugo nicht oder kaum oder zumindest nicht sehr lange gelitten hatte. Ich erinnertemich, wie sehr ich mir gewünscht hatte, er hätte diesen Feuerball überlebt, wie ich mir sein Gesicht vorgestellt hatte, ein Oval aus verbrannter Haut, in dem ich nur noch die Augen als die meines Geliebten erkannte. Aber das wäre mir alles egal gewesen. Ich wollte ihn um jeden Preis zurück. Wie war es möglich, fragte ich mich jetzt, als ich Rich betrachtete, dass ein Teil seines Gesichts ganz unversehrt geblieben war? Gab es noch andere Körperstellen, die unverletzt waren? Oder war er ganz verbrannt bis auf dieses kleine Fenster, das ihn so zeigte, wie er einmal gewesen war?
    «Kann er uns sehen?», fragte ich.
    «Er steht unter starken Beruhigungsmitteln.»
    «Das heißt, er schläft mit offenen Augen?»
    «Möglich. Er steht unter Schock. Er hat schwere Verbrennungen an etwa vierzig Prozent des Körpers, und so unglaublich es klingt, damit hat er noch Glück gehabt, wenn man die Stärke der Explosion bedenkt. Arme und Beine sind hochgelagert, um die Haut zu entlasten.»
    «In was für einem Zustand war er, als er hergebracht wurde?»
    «Ich war selbst nicht in der Notaufnahme, aber Patienten mit so schweren Brandverletzungen sind normalerweise bewusstlos.»
    «Es war also eine richtige Explosion.»
    «Es heißt, das ganze Haus wäre niedergebrannt. So etwas passiert bei undichten Gasleitungen. Schlimme Sache. Nach allem, was ich höre, haben die Gasgesellschaft und die Feuerwehr bereits die Ermittlungen aufgenommen.»
    «Glauben die, dass es Brandstiftung war?»
    «Ich weiß gar nicht, ob man das bei einer Gasexplosion so nennt. Eher Sabotage oder so etwas.»
    Joe. Hatte er das getan? Hatte er tatsächlich versucht,Rich umzubringen? Den Rivalen zu beseitigen? Der Gedanke durchzuckte mich wie ein verworrenes Geflecht aus Zorn und Hilflosigkeit.
    «Darf ich draußen auf dem Gang telefonieren?»
    «Sicher, Sie müssen allerdings bis ganz ans Ende gehen, zum Fenster, vorher haben Sie keinen Empfang. Und denken Sie bitte daran, das Handy wieder auszuschalten, wenn Sie zurück ins Zimmer kommen.»
    «Natürlich.»
    «Versuchen Sie, den Besuch auf maximal eine Viertelstunde zu beschränken, und vermeiden Sie alle Aufregungen, ja?»
    Eine seltsame Anmerkung. Rich war bewusstlos und lag hier eingepackt, als wollte man ihn in einer ägyptischen Pyramide bestatten. Glaubte die Schwester, ich würde eine Party schmeißen?
    Am anderen Ende des Flurs lehnte ich mich an ein Fenster, von dem aus man die Dächer und Kirchtürme von Cobble Hill überblicken konnte, und rief Jess an.
    «Sehr gut», lautete seine erste Reaktion.
    «Nein, Jess, das ist überhaupt nicht gut.»
    Er schwieg einen Augenblick betreten, dann sagte er: «Entschuldigen Sie, das ist mir nur so herausgerutscht. Wie geht es Ihrem Freund?»
    «Sie sagen, er wird wieder gesund.»
    «Versuchter Mord, das bringt Ihren Jungen für lange Zeit hinter Gitter. Ich bin an der Sache dran, Darcy, das wissen Sie.»
    «Er ist nicht ‹mein› Junge   …»
    «Verzeihung. Auch das habe ich nicht so gemeint. Mir schwirrt heute etwas der Kopf   … die Kinder sind den Tag über bei meiner Mutter, und sie ruft mich alle fünf Minuten an. Aber das ist natürlich kein ernsthaftes Problem. Dasernsthafte Problem haben Sie, und wir werden uns darum kümmern.»
    «Danke, Jess.»
    Ich schaltete mein Handy aus, kehrte zu Rich zurück und zog mir einen Stuhl heran. Die Viertelstunde verging, ich blieb, und niemand beschwerte sich. Ich

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