Nur 15 Sekunden
Vorzeigeprojekt seiner Amtszeit werden. Und Sie dürfen auch nicht vergessen, dass er selbst Geschäftsmann war, bevor er in die Politik ging. Er schreckt nicht einmal davor zurück, mit der Chefetage des Bauträgers ins Bett zu gehen, wenn er dafür anschließend bekommt, was er will. Solange die Begegnung keine Spuren hinterlässt. Aber jetzt hat er sich überschätzt. Wenn man bei einem Geschäft mit Tony T. vermittelt, muss das früher oder später in der Katastrophe enden. Und jetzt ist es so weit.»
«Wo sind die Knochen jetzt?»
«Im Lager der Spurensicherung. Registriert und einsortiert. Beweismittelstelle Queens, Buchungsnummer 12 – 84 992.»
Eigentlich hätte ich mir auch das merken müssen. Doch um die Nummer keinesfalls zu vergessen, notierte ich sie mir.
«Aber wenn das Ganze sowieso unter den Teppich gekehrt werden soll, warum stellen sie überhaupt die Arbeiten ein und bauen eine Geschichte drumrum?»
«Sie wollen sicher sein, dass sie auch wirklich alle Knochen haben. Deshalb werden die Bauarbeiten eingestellt. Nicht, dass erst ein ganzes Gebäude abgerissen werden muss, falls die Knochen doch nochmal irgendwann interessant werden.»
«Sie meinen, falls es irgendwann einmal Ermittlungen im Bereich des organisierten Verbrechens gibt, die über Tony T. hinausgehen.»
«So in etwa.»
«Aber augenblicklich ist es nicht oberste Priorität, die Knochen zu identifizieren?»
Abe schüttelte den Kopf. «Es kann gut sein, dass sie wiederauf die Tarentinos verweisen. Falls der Geschäftsabschluss für die Grundstücke tatsächlich mit dem Versprechen erkauft wurde, im Schutzgeldprozess gegen Tony T. Nachsicht zu zeigen, wäre der sicherlich … nun ja … verstimmt, falls die Stadtverwaltung jetzt zurückrudert.»
«Was natürlich um jeden Preis verhindert werden muss.»
«Ich möchte jetzt jedenfalls nur ungern in der Haut desjenigen stecken, der diese Versprechungen gemacht hat.»
«Das waren also nicht Sie?»
«Nein.»
«Wer dann?»
«Das weiß ich nicht genau.»
«Aber Sie haben eine Vermutung.»
«Ich kann Ihnen nicht mehr sagen. Auf diesem Grundstück wurden mindestens drei Menschen verscharrt, und wir werden nie erfahren, wer sie waren. Ihre Angehörigen werden nicht mit der Sache abschließen können. Das macht mir ehrlich gesagt am meisten zu schaffen. Und dazu noch die Aussicht, dass sich diese Stadt, die ich liebe und für die ich mir seit fünfundzwanzig Jahren den Arsch aufreiße, tatsächlich an die Korrupten und Kriminellen verkauft hat. Wegen eines Immobiliengeschäfts, das ein paar Bauunternehmer noch reicher macht und das das Juwel in der Krone unseres Bürgermeisters sein wird, falls alles so läuft, wie er sich das vorstellt. So was macht mich wahnsinnig. Und die ganze Energie, die jetzt in die Vertuschungsversuche fließt, anstatt sinnvoll eingesetzt zu werden … das stört mich auch.» Er wischte sich erneut die Stirn und warf einen Blick auf die Uhr. Erste Sonnenstrahlen streckten sich in den dunklen Himmel hinein. Abe Starkman schaute zur Flatbush Avenue zurück. «Überlegen Sie sich gut, was Sie mit diesen Informationen anfangen.»
«Das verspreche ich Ihnen.»
«Aber bitte kommen Sie auf keinen Fall zu dem Schluss, dass Sie sich nicht für die Sache interessieren.» Er sah mir in die Augen, ich nickte und gab ihm damit ein Versprechen, das wir beide schweigend anerkannten. Dann drehte er sich um und ging.
Ich sah ihm nach, wie er, groß und hochaufgerichtet, in der frühen Morgendämmerung seinen Fahrradhelm aufsetzte und um die nächste Ecke verschwand. Dann machte ich mich auf den Weg zur Fourth Avenue, von wo aus ich mit der U-Bahn nach Manhattan fahren wollte. An der Ecke Fourth Avenue/Pacific Street flitzte Abe Starkman auf einem weißen Rennrad an mir vorbei, weit über den Lenker gebeugt, mit flatternder Krawatte.
So früh am Morgen war es kein Problem, in der U-Bahn noch einen Sitzplatz zu ergattern. Auf der Fahrt in die Innenstadt machte ich mir Notizen. Das, was Abe Starkman mir da präsentiert hatte, war ein äußerst heißes Eisen. Ich musste nachdenken, ein paar allgemeine Recherchen machen. Und wenn ich genügend Informationen beisammen und mich von Abes Glaubwürdigkeit überzeugt hatte, musste ich mit Elliot reden. Doch gerade schwirrte mir so sehr der Kopf, dass ich kaum einen klaren Gedanken fassen konnte. Ich verstaute den Notizblock wieder in der Tasche, lehnte mich zurück und schloss die Augen, bis die Bahn an der
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