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Nur 15 Sekunden

Nur 15 Sekunden

Titel: Nur 15 Sekunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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Zu den ersten Dingen, die man als Neuling in Elliots Nachrichtenredaktion zu lernen hatte, gehörte, wie der Chef seinen Kaffee trank, denn das war und blieb diebeste Möglichkeit, sich seine Aufmerksamkeit zu sichern, bevor ihn andere Verpflichtungen in Anspruch nahmen.
    «Kann ich kurz die Tür schließen?»
    Elliot hob die Brauen. «Von mir aus.»
    Ich schloss die Tür und setzte mich ihm gegenüber. Sein Haar war noch nass vom Duschen, und er trug ein blütenweißes Hemd ohne Krawatte. Wahrscheinlich war er schon seit Stunden auf den Beinen, denn seine Frau war ebenfalls berufstätig, und das Kindermädchen seiner kleinen Töchter kam notorisch zu spät. Ich konnte mir die Hetzerei, quasi direkt aus der Dusche ins Büro, lebhaft vorstellen. Auf dem Aktenschrank hinter ihm lächelte mir seine Familie von einem großen, gerahmten Foto entgegen.
    Elliot trank noch einen Schluck Kaffee, dann stellte er den Becher neben sich, beugte sich vor, die Arme auf dem Schreibtisch verschränkt, und sah mich erwartungsvoll an.
    Ich erzählte ihm alles, vom gestrigen Anruf bis zu meinem heutigen Treffen mit Abe Starkman, den ich als «anonymen Informanten aus der Baubehörde» bezeichnete.
    «Ist der Anruf schon gekommen, von dem er gesprochen hat?»
    «Nein. Aber es ist ja auch noch früh. Bei der Baubehörde fangen sie erst um neun an.»
    «Richtig. Die wollen ja auch, dass alles so normal wie möglich wirkt. Wenn sie anrufen, Darcy   … falls sie das tatsächlich tun   … dann verhältst du dich so wie bei jeder anderen Information, die du von einer Behörde erhältst. Du machst Notizen, lässt dir die Kontaktperson nennen, bedankst dich. Und wenn sie dir sagen, du sollst bei Russet Cleanup anrufen, dann machst du das. Anschließend meldest du dich bei mir, und wir überlegen gemeinsam, wie wir weiter vorgehen. Solange das nicht bis ins Letzte recherchiert ist, wird kein Artikel draus. Schließlich ist es nicht geradealltägliche Praxis, die Stadtverwaltung in die Pfanne zu hauen. Alles klar?» Elliot wandte sich wieder seinem Computer zu. Offensichtlich wollte er jetzt seinen Tag beginnen.
    «Eins noch, Elliot.»
    «Ja?»
    «Ich würde diese Story gern behalten. Auch nachdem der angebliche Umweltskandal mit den Chemikalien und Russet Cleanup abgehandelt ist, meine ich. Die Sache interessiert mich sehr.»
    Er musterte mich einen Augenblick. «Das glaube ich dir. Es könnte ja auch eine hochinteressante Geschichte werden. Allerdings sind korrupte Regierungsbehörden nicht gerade dein Spezialgebiet   … Wir werden sehen.»
    «Für manche Leute sind korrupte Regierungsbehörden und Umweltvergehen ein und dasselbe.»
    Elliot lächelte und wiederholte noch einmal: «Wir werden sehen.»
    «Soll ich mich schon mal um diese Knochen kümmern? Ein paar Nachforschungen anstellen, ob sie wirklich existieren?»
    «Nein, noch nicht. Lass mich noch ein bisschen darüber nachdenken. Vorläufig wartest du einfach ab, ob dieser Anruf kommt.»
    Ich setzte mich wieder an den Schreibtisch und wartete darauf, dass das Telefon klingelte. Was es natürlich nicht tat. In der Zwischenzeit machte ich mich daran, so viele Hinweise wie möglich aus den verschiedenen öffentlichen und internen Datenbanken zu ziehen. Ich suchte wahllos Informationen zusammen: Hintergrundberichte, Lokalgeschichte, Mafiavergehen – alles, was in irgendeiner Form mit Abes Behauptung über die Knochenfunde zusammenhängen konnte. Dabei erfuhr ich unter anderem, dass es vor 1978, als die Chemiefabrik gebaut wurde, fünfhundertachtundfünfzigmutmaßliche Mafiamorde gegeben hatte, siebzehn damit zusammenhängende Verurteilungen und fast zehntausend ungeklärte Vermisstenfälle. Seit Beginn der Aufzeichnungen Mitte des neunzehnten Jahrhunderts waren zahllose Menschen einfach so verschwunden, Tausende davon allein hier in der Stadt. Vor 1978 hatten zwei andere Gebäude auf dem Grundstück gestanden, das erste war 1795 erbaut worden, das zweite 1871.   Damit ergaben sich über fast zweihundert Jahre hinweg allein drei Möglichkeiten, Leichen auf diesem Grundstück zu verscharren: entweder kurz nach dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, zu Beginn des Industriezeitalters oder in den drogenvernebelten, discoverrückten Siebzigern. Es war eine bloße Vermutung, doch ich neigte zu 1978, der dritten Möglichkeit.
    Vor allem interessierte mich Abe Starkmans Vermutung, dass Tony T. womöglich ein sehr viel besseres Geschäft gemacht hatte, als seinen stillschweigenden

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