Nur 15 Sekunden
Schreibtisch gleiten und sagte etwas zu den beiden Männern, was die mit schallendem Gelächter quittierten. Dann kam sie durch die Lagerhalle zu mir. Wir sprachen kein Wort miteinander, bis wir draußen waren und zurück zur Hauptstraße gingen, um dort ein Taxi zu nehmen. Die Wolken hatten sich verzogen, warmer Sonnenschein trocknete die verbliebene Feuchtigkeit auf den Straßen. Wir hielten einen Wagen an, setzten uns auf den verschlissenen Rücksitz und nannten dem Fahrer unsere Büroadresse. Dann gab ich Courtney die Kamera, und sie sah sich die Fotos an, die ich in der Lagerhalle gemacht hatte.
«Wow!», sagte sie.
«Ich war ja fast in Versuchung, so einen Knochen einzusteckenund in irgendeinem Labor das Alter bestimmen zu lassen.»
«Was du aber hoffentlich nicht getan hast.»
«Natürlich nicht.»
«Dann ist ja gut. Aber ich kann verstehen, dass die Versuchung groß war.» Courtney sah sich die vier Fotos immer und immer wieder an. Auf ihrer hübschen Stirn hatte sich eine tiefe Falte gebildet.
«Wir haben keine Beweise, dass die Knochen wirklich auf dem Grundstück gefunden wurden», sagte ich. «Bis auf die Aussage meines Informanten.»
Courtney sah mich an, und die Falte auf ihrer Stirn wurde noch tiefer. «Ganz genau.»
«Was machen wir nun?»
«Ich denke, wir sollten versuchen, an die Transportunterlagen für die Giftmüllfässer heranzukommen, die angeblich auf dem Grundstück gefunden wurden. Mr. Livingston und seine Söhne werden die Fässer, Knochen, oder was immer es war, ja wohl kaum persönlich weggeschafft haben, und die Anzugträger aus der Baubehörde erst recht nicht. Für so was hat man seine Leute. Wir müssen also herausfinden, wer für den Abtransport zuständig war. Vielleicht ergeben sich dann ja ein paar aufschlussreiche Verbindungen.»
«Das wurde sicher alles an Subunternehmen vergeben, es muss also Aufzeichnungen darüber geben.»
«Es sei denn, sie haben sich jemand anderen dafür gesucht, um die Spuren zu verwischen … das würde allerdings erst recht verdächtig wirken, vielleicht haben sie es auch deswegen gerade nicht getan. Beides ist möglich. Aber wenn die Knochen vom Baugrundstück kommen, muss es eine Lieferbestätigung bei Pearson geben. Fangen wir also am besten damit an.»
Ich nickte zustimmend. Belastende Unterlagen, Mails,Nachrichten auf Anrufbeantwortern: harte Fakten. Das klang für mich alles richtig gut. Jahrelang hatte ich alle Fakten vermeiden müssen. In Umweltfragen glaubten die Leute nicht an wissenschaftliche Erkenntnisse, das hatte sich erst durch Al Gores Film geändert. Inzwischen hatten auch in diesem Bereich Fakten Gewicht.
«Wir werden diese Sache aufdecken», sagte Courtney. «Vorausgesetzt, es gibt etwas aufzudecken. Sobald die Stadtverwaltung zugibt, dass Knochen gefunden wurden, und sie identifizieren lässt, ist unsere Arbeit getan. Dann kommt der ganze Mist ans Tageslicht, worin auch immer er konkret besteht. Und wir brauchen nur noch alles aufzuschreiben und die Lorbeeren einzusammeln.»
Sie hatte recht. Unser Ziel war es, den Lügen ein Ende zu setzen. Wenn das gelang, würde es uns möglicherweise auch auf der Karriereleiter ein paar Sprossen weiterbringen. Mir war es all die Jahre hindurch nie langweilig geworden, über Umweltthemen zu schreiben, und ich wollte das auch weiterhin tun. Gleichzeitig brannte ich jedoch darauf, in größeren Zusammenhängen zu denken: Mir war klargeworden, dass sich hinter jeder Windfarm, hinter jedem Ölteppich, jedem Biobauernhof und jeder Wasserverschmutzung ein individuelles Drama verbarg. Seit langem schon wartete ich auf die Gelegenheit, die Bandbreite meiner Themen zu vergrößern und auch auf die sozialen und politischen Kontexte der Umweltthematik hinzuweisen. Im Idealfall würde mir die Knochen-Story den nötigen Karriereschub geben, diese Pläne bei der
Times
auf landesweiter Ebene umzusetzen.
Einfach würde es allerdings sicher nicht. Bis jetzt hatten wir einen anonymen Informanten, zwei Lügengeschichten und eine Kiste voller Knochen. Daraus ergab sich längst noch kein vollständiges Bild. Es lag eine Menge Arbeit vor uns.
«Hör mal», sagte Courtney. «Ich habe da um zwei noch einen anderen Termin, den ich schon ausgemacht hatte, bevor ich von unserem neuen Auftrag wusste. Hast du etwas dagegen, wenn ich hingehe?»
«Kein Problem. Wir haben ja keinen direkten Termindruck, um es mal vorsichtig zu formulieren. Falls wir es überhaupt schaffen, Elliot die Sache so zu verkaufen,
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