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Nur 15 Sekunden

Nur 15 Sekunden

Titel: Nur 15 Sekunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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schwülen, trüben Vormittag gewichen. Wir zogen unsere Regenmäntel aus und klemmten sie uns mitsamt den getrockneten Schirmen unter den Arm.
    Auf der Queensboro Bridge, hoch über dem East River, informierte mich Courtney über die Einrichtung, zu der wir unterwegs waren. Allgemein nannte man sie nur «das Lager am Pearson Place», sie galt als die notorisch überforderte, unzuverlässigste Aufbewahrungsstelle für Beweismittel in ganz New York. Courtney erzählte mir, dass es dort inzwischen schon sehr viel zivilisierter und längst nicht mehr so chaotisch zugehe wie früher, aber ich solle mich trotzdem noch auf einiges gefasst machen und würde meinen Augen nicht trauen. Nachdem ich ihr meinerseits erzählt hatte, wonach wir suchten und weshalb (natürlich auch diesmal, ohne Abe Starkmans Namen zu erwähnen), sah man ihr deutlich an, dass ihr einiges klarwurde.
    «Pearson ist der perfekte Ort, um etwas verschwinden zu lassen, das keiner finden soll, bis die Zeit reif ist», sagte sie.
    Wir verließen die Brücke und fuhren ein Stück die Jackson Avenue entlang, bis wir in die Thompson Street und anschließend in die Skillman Street einbogen, eine breite Straße, die auf einer Seite an einen Rangierbahnhof grenzte. Ein paar heruntergekommene Häuserblocks weiter bogen wir zum Austell Place ab, und dort hielt unser Taxi vor einem großen, vierstöckigen Lagerhaus. Wir zahlten und stiegen aus. Courtney war schon häufiger hier gewesen, sie kannte das Gebäude und die Mitarbeiter genau, also hielt ich mich zurück und ließ ihr den Vortritt.
    Und sie meisterte ihre Rolle geradezu bravourös. Sie trug enge Jeans, Cowboystiefel und eine figurbetonte lila Bluse, unter der schwarze Spitzenunterwäsche hervorschaute. Obwohl sie völlig ungeschminkt war, sah sie mit dem glänzenden Haar, das ihr lang über den Rücken fiel, und ihrem aufrechten, selbstbewussten Gang wie ein Filmstar aus. Ich folgte ihr durch die Tür in ein niedriges Vorzimmer, in dem es unangenehm nach Schimmel roch.
    Courtney begrüßte die Sekretärin am Empfang wie eine alte Bekannte und näherte sich mit breitem, schneeweißem Lächeln dem runden Loch der beschlagenen Plexiglasscheibe. «Na, Tanisha, alles klar?»
    «Hallo, Courtney.» Tanisha sah von dem Stapel Papiere auf, den sie auffallend gemächlich sortierte.
    «Ist Anand im Haus?»
    Tanisha drückte wortlos auf die Gegensprechanlage, um Anand herbeizuzitieren. Während wir warteten, kramte Courtney einen Lippenstift aus ihrer Handtasche hervor und schminkte sich die Lippen bonbonrosa. Kurze Zeit später ging die Innentür auf, und ein untersetzter Inder mit dicken Lippen und winzigen Äuglein, deren humorvolles Glitzern die Strenge der Polizeiuniform ausglich, kam herein.
    «Prinzessin!», rief er mit heller, quiekender Stimme, eilte durch den kleinen Raum auf uns zu und fasste Courtney mit einer Hand an der Schulter. Seine dicken Finger drückten sich in den zarten Stoff ihrer lila Bluse. Courtney bewahrte ihr rosarotes Lächeln, und Tanisha hinter der Plexiglasscheibe verdrehte die Augen.
    «Was verschafft mir denn diese unverhoffte Freude? Was führt dich her? Du weißt ja, dass ich notfalls auch eigenhändig einen Mord begehen würde, damit du auf deiner Beweisjagd hier vorbeikommst.»
    «So weit brauchst du nun wirklich nicht zu gehen, Anand. Ich freue mich doch immer, dich zu sehen.» Damit drückte sie ihm einen Kuss auf die runde Wange und hinterließ dort einen pinkfarbenen Lippenstiftabdruck. Obwohl ihm das klar sein musste, machte Anand doch keinerlei Anstalten, die Spuren des Kusses wegzuwischen, sondern trug sie während der Zeit, die wir dort waren, stolz mit sich herum.
    «Wie ich sehe, hast du heute eine Freundin mitgebracht», sagte er.
    Das war nun wirklich albern. Wir waren Kolleginnen! Doch ich ließ mich auf das Spielchen ein, stellte mich vor und drückte ihm die feuchte Hand.
    «Anand», sagte Courtney, «wir wollen das Innocence Project noch einmal etwas genauer aufrollen. Offenbar gab es im letzten Jahr eine Menge nachträglicher DN A-Analysen alter Beweismittel. Wir arbeiten gerade an einer entsprechenden Tabelle. Hast du was dagegen, wenn wir ein bisschen im Lager herumstöbern und die Daten, die uns vorliegen, mit den Buchungsberichten abgleichen?»
    «Aber natürlich nicht! Immer rein mit euch.»
    Anand ging voran durch die Tür, und wir betraten eine gewaltige Lagerhalle voller Metallregale, auf denen sich große, runde Behälter aus Karton türmten. Es gab

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