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Nur 15 Sekunden

Nur 15 Sekunden

Titel: Nur 15 Sekunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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Posteingangsliste. Die, wie ich rasch feststellte, vermutlich noch länger als die von Courtney war, weil noch ein paar speziell an mich gerichtete Mails darunter waren.
    Von Joe.
    Nachdem ich die letzten beiden Tage keinen Bagel auf meinem Schreibtisch vorgefunden hatte, war ich davon ausgegangen, er hätte sich stillschweigend zurückgezogen. Ich war überzeugt gewesen, dass er sich schämte, mir am Mittwoch durch die halbe Stadt gefolgt zu sein. Doch stattdessen hatte er mir   … ich zählte   … sage und schreibe dreiundzwanzig E-Mails ganz verschiedenen Inhalts geschickt. Er bot mir nicht weniger als acht weitere Schreibproben zur Lektüre an, schickte mir seine neue Adresse in Red Hook und lud mich und Ben für sechs Uhr am nächsten Samstag zum Essen ein. Er wies mich auf Blogs hin, die ich mir unbedingt einmal anschauen müsse, und beschwerte sich, weil ich ihn wie Luft behandelte, als wäre er «einfach nur so ein Typ aus der Poststelle». Drei Mails waren völlig identisch und zitierten den Kinderreim von den drei blinden Mäusen: «Drei blinde Mäuse,/Drei blinde Mäuse,/Ha, wie sie rennen!/Ha, wie sie rennen!/Sie rannten zur Bäuerin unverwandt./Die nahm ein großes Messer zur Hand/Und schnitt sogleich –/Schnipp, schnapp! Schnipp, schnapp! –/Den armen Mäusen dieSchwänze ab./Oh, was für ein schrecklich grausamer Schwapp/Für drei blinde Mäuse.» Ich verstand nicht, was er mir damit sagen wollte – ich wusste nur, dass es mir ganz und gar nicht gefiel. War er tatsächlich übergeschnappt? Gerade wollte ich anfangen, die Mails zu löschen, als plötzlich Courtney hinter mir stand und auf meinen Bildschirm schaute. «Ach du Schande!»
    «Unfassbar, oder?»
    «Bewahr die Mails unbedingt auf, Darcy. Vielleicht musst du sie irgendwann jemandem zeigen.»
    Ich fuhr herum und sah sie an. Ihre Miene war sehr ernst.
    «Nur für alle Fälle», sagte sie.
    Ich brach den Löschvorgang ab.
    Courtney beugte sich vor und griff nach meiner Maus. «Wir legen dir einen Ordner an, wo du die Dinger aufbewahren kannst.» Sie erstellte einen Ordner mit dem Namen
Joe Coffins Überreste
und speicherte die Episteln eine nach der anderen darin. Ich änderte den Namen in
Überreste
, weil ich fürchtete, Joe könnte den Ordner sehen, falls er einmal mit seinem Postwagen zu nah an meinem Schreibtisch vorbeikam.
    Den ganzen Vormittag über ließ er sich nicht in der Redaktion blicken, ich vermutete aber, dass er immer wieder seine Mails checkte und auf Antwort wartete. Mir half das alles zu begreifen, dass Joe nicht einfach nur ein ganz normaler Mann war, der von einer Frau auf ganz normale Weise zurückgewiesen wurde. Er war fest entschlossen, meine Aufmerksamkeit zu erringen, und bewegte sich dabei irgendwo auf der Skala zwischen völlig durchgeknallt und blind verliebt. So etwas hatte ich nie zuvor erlebt.
    Bevor ich Hugo kennenlernte, hatte ich es natürlich schon mit ein, zwei anderen Männern zu tun gehabt, die unangemeldet vor meiner Tür standen, deutlich zu oft anriefenund einfach nicht begreifen wollten, dass ich kein Interesse an ihnen hatte. Das erlebt jede Frau irgendwann. Aber normalerweise geben die betreffenden Männer auch irgendwann auf. Joe hingegen würde niemals aufgeben, so viel war sicher. Inzwischen sah ich seine Hartnäckigkeit nicht mehr als jugendlichen Überschwang, sondern vermutete irgendeine Form von Persönlichkeitsstörung dahinter. «Das Arschloch-Syndrom», befand Courtney knapp und riet mir erneut, noch ein bisschen zu warten, ehe ich Elliot oder die Personalabteilung hinzuzog. Auch ich hoffte noch, dass ein Wochenende fern der Arbeit und fern von mir Joes Begeisterung vielleicht doch etwas zügeln würde, und beschloss, meine Vorgesetzten vorläufig nicht mit einer Beschwerde zu behelligen. Zumal die Knochen-Story allmählich konkrete Form annahm.
    Abe Starkman rief schließlich zurück. Er sagte nicht viel und äußerte das Wenige nur im Flüsterton, versprach mir aber, «es» übers Wochenende zu beschaffen. Er führte nicht weiter aus, worum es sich genau handelte und wo er es abzugeben gedachte, aber er wusste, dass ich in Brooklyn wohnte und wo ich arbeitete. Sicherlich hatte er auch unseren Artikel gelesen und wusste, dass die
Times
mich die Sache weiterverfolgen ließ. Und vermutlich war ihm auch klar, dass wir mit den entscheidenden Unterlagen zum Grundstücksverkauf einen Durchbruch erzielen würden, da wir die Knochen ja bereits gefunden hatten. Falls er das Ganze wirklich

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