Nur 15 Sekunden
mich verfolgte. Am schlimmsten aber war die Angst, dass auch meine Mutter in Gefahr war. Joe verletzte eine Grenze nach der anderen. Auf dem Weg nach Manhattan schwirrte mir unablässig der Kopf. Ich war völlig verwirrt. Was sollte, was konnte ich bloß gegen all das tun?
Sobald ich wieder im Büro war, fragte ich Courtney um Rat, und wir waren uns rasch einig, dass die Taktik, «das Schwein am langen Arm verhungern zu lassen», wie sie das ausdrückte, eindeutig nicht genügte. Es war an der Zeit, sich Hilfe zu holen.
«Vielleicht sollte ich zur Polizei gehen», überlegte ich laut.
«Es gibt da etwas, Darcy, was du über die
Times
wissen solltest, falls du es nicht ohnehin schon gemerkt hast: Man steht hier nicht gern im Rampenlicht. Du bist noch in der Probezeit, sie können dich ohne weitere Angabe von Gründen feuern. Sprich erst mit Elliot. Und überlass ihm alles Weitere. Okay?»
Das klang vernünftig.
Elliot war nicht im Büro, also lauerte ich ihm von meinem Schreibtisch aus auf. Kurz nachdem er die Redaktion wieder betreten und sich an seinen Platz gesetzt hatte, klopfte ich an seine offene Bürotür.
«Immer herein!»
Ich trat ein und schloss die Tür hinter mir.
«Was macht der Folgeartikel?» Natürlich glaubte er, dass ich mit ihm über die Knochen reden wollte.
«Es geht um etwas anderes.»
«Du beanspruchst meine Bürotür diese Woche ja ganz schön. Also gut. Schieß los.»
Ich erzählte ihm von Joe Coffin. Elliot hörte mir aufmerksam zu, und die wachsende Anspannung malte sich in tiefen Falten auf seine Stirn. Als ich geendet hatte, holte er tief Luft.
«Meine Güte. Das klingt aber gar nicht gut. Und das alles seit Montag?»
«Ja. Erst wollte ich nicht mit dir darüber reden, weil ich fest überzeugt war, dass er sich irgendwann zurückzieht.Aber stattdessen ist alles nur immer schlimmer geworden. Und dass er jetzt versucht hat, zu meiner Mutter vorzudringen, das macht mir richtig Angst.»
«Das würde mir auch so gehen. Du sagst, er wurde gerade erst eingestellt?»
«Montag war sein erster Arbeitstag.»
Ich sah Elliots Gedanken förmlich auf Hochtouren arbeiten. Er sprach es nicht aus, aber auch mir wurde plötzlich klar, dass Joe sich noch in der Probezeit befand und somit ohne viel Federlesens entlassen werden konnte. Aber würde sich die
Times
zu einem solchen Vorgehen entschließen?
«Ich denke, wir sollten die Personalabteilung einschalten.» Elliot griff zum Hörer und wählte eine Durchwahl, die er offensichtlich auswendig kannte. Während er darauf wartete, dass am anderen Ende jemand abnahm, schien er sich bereits auf das zu konzentrieren, was er sagen wollte. Doch dann konnte er nur eine Nachricht für Paul Ardsley hinterlassen.
«Wir warten jetzt mal ab, bis Paul zurückruft», sagte er zu mir. «In der Zwischenzeit versuchst du, das Ganze möglichst zu vergessen und dich auf die Arbeit zu konzentrieren. Aber sag mir auf jeden Fall Bescheid, falls dieser Joe dich weiterhin belästigen sollte. Ich bin den ganzen Nachmittag hier. Gibt’s was Neues von unseren Knochen?»
«Nein. Aber am Montag beginnt der Schutzgeldprozess gegen den Spießgesellen von Tony T.»
«Da schicken wir jemanden hin. Falls etwas Interessantes dabei herauskommt, sorge ich dafür, dass ihr es gleich erfahrt.»
«Danke.»
«Hast du Kontakt mit deinem Informanten aufgenommen?»
«Ja. Es schien ihn nicht zu überraschen, dass wir nichtweiterkommen. Er hat versprochen, mir übers Wochenende Unterlagen zukommen zu lassen.»
«Hervorragend. Dann also an die Arbeit.»
Ich kehrte an meinen Schreibtisch zurück, nahm mir Elliots Ratschlag zu Herzen und vergrub mich in die Arbeit. Am Abend stand unser Artikel für die Samstagsausgabe, der im Grunde nur erklärte, dass sich sowohl die Bauträgerfirma als auch die Stadtverwaltung dagegen verwahrten, überhaupt etwas von den Knochen gewusst zu haben. Man las den vehementen Protestton heraus, der immer nur dann zum Einsatz kam, wenn jemand etwas zu verbergen hatte.
Paul Ardsley aus der Personalabteilung rief nicht zurück. Elliot rief mich noch einmal zu sich ins Büro, um mir zu sagen, dass er ihm noch eine zweite Nachricht hinterlassen und schließlich erfahren habe, dass Ardsley den ganzen Nachmittag in verschiedenen Besprechungen sei und erst am Montag wieder im Büro erreichbar sein würde.
«Können wir die Sache bis dahin vertagen?»
«Natürlich», sagte ich, und mein Ton klang viel zuversichtlicher, als mir zumute war. Joe hatte meine
Weitere Kostenlose Bücher