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Nur 15 Sekunden

Nur 15 Sekunden

Titel: Nur 15 Sekunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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stecken.»
    Das überraschte mich so, dass die Angst schlagartig verschwand, die mich durch Joes unerwünschtes Geschenk von neuem erfasst hatte. Und mit ihr verschwanden alle Gedanken an Mülltrennung, elterliche Gewohnheiten und Pflichten. Rich trat zu mir an den Tisch, wo ich den Rahmen wieder zusammensetzte, und nahm mich in die Arme.
    Dieser Rahmen. Eine leere Glasscheibe, ohne ein Bild dahinter, einfach nur durchsichtig. Warum sollte ich ihn nicht behalten, anstatt etwas so Schönes zu verschwenden? Unwillkürlich legte ich den Kopf zurück, als Rich sich über mich beugte, um mich auf den Hals zu küssen. Seine Hände wanderten seitlich an meinem Körper entlang, über Rippen, Taille und Hüften, wo sie schließlich liegen blieben. Wir schmiegten uns ganz eng aneinander, ich spürte seinen ganzen Körper, vom Mund bis hinunter zu den Knien. Wir mussten uns einfach lieben. Langsam ließ ich die Hände über seinen Rücken gleiten, spürte die Wölbung, die Kraft darin, während er mich seinerseits umfasste, mich zärtlich entdeckte; und schließlich schoben sich meine Fingerspitzen unter seinen Gürtel und berührten seine Haut. Zarte, weiche, lebendige Haut. Unsere Münder fanden sich von neuem, und es gab kein Zurück mehr.
     
    Ich erwartete Ben nicht vor zehn Uhr morgens zurück, und so blieben Rich und ich lange im Bett liegen, nackt und entspannt und eng umschlungen. Bis zum Morgengrauen hatten wir uns abwechselnd geliebt und unterhalten. Ich war immer davon ausgegangen, dass das nur junge Liebespaare tun würden, doch nun hatte ich erfahren, dass es für Liebespaare jeden Alters galt. Ich war neununddreißig, Rich siebenunddreißig Jahre alt. Wir hatten Fältchen, erste graue Haare, Fettpölsterchen und Narben, und doch war unsere erste gemeinsame Nacht so romantisch gewesen, als wärenwir zwei Teenager. Wir sahen einander an und verloren uns tatsächlich in den Augen des anderen.
    Irgendwann duschten wir schließlich doch, zogen uns an und frühstückten Toast mit Rührei, das Rich auf meinem Herd zubereitete. Anschließend wusch er das Geschirr ab. Mir lag schon auf der Zunge zu sagen: «Du bist engagiert», aber ich hielt mich zurück. Ich wollte den Zauber nicht durch flapsige Bemerkungen stören, zumindest jetzt noch nicht.
    Schließlich drang das Klingeln des Telefons durch den süßen Nebel. Es war Ben, der mir mitteilte, dass er gleich nach Hause kommen würde.
    «Hast du eine Hintertür?», fragte Rich.
    «Schon, aber dann sitzt du im Garten fest.»
    Wir küssten uns. Er hatte nichts dabei als die Kleider, die er am Leib trug. Ich brachte ihn zur Haustür, wo wir uns verabschiedeten. Rich versprach, mich anzurufen, dann sagte er: «Und sag mir Bescheid, falls dieser Kerl dich weiterhin belästigt, ja? Vor allem, wenn er sich hier nochmal blicken lässt. Zieh dich nicht zurück mit deinen Sorgen.»
    Ich musste lächeln. Man konnte wirklich nicht behaupten, dass ich die Sache mit Joe verschwiegen hätte, schließlich hatte ich Sara, Courtney, Elliot und jetzt auch noch Rich davon erzählt.
    «Danke. Ich halte dich auf dem Laufenden.»
    «Versprochen?»
    Ich küsste ihn noch einmal. «Versprochen.»
    Und dann widerstand ich der Versuchung, ihm nachzusehen, als er ging. Was würden die Nachbarn denken, wenn sie ihn weggehen sahen? Würde ich im Viertel jetzt als Flittchen gelten? Der Gedanke schoss mir kurz durch den Kopf, doch schon als ich die Tür wieder schloss, beruhigte ich mich. Wir lebten schließlich in New York, da achteten dieLeute längst nicht so aufeinander wie in der Kleinstadt. Es würde niemanden interessieren, ob die verwitwete Nachbarin einen Liebhaber hatte.
    Einen Liebhaber. Ich hatte einen Liebhaber.
     
    Ben hatte mir eine Yankees-Kappe mitgebracht. «Na los, Mom. Setz sie auf.»
    Ich stülpte mir die Kappe auf den Kopf, und wir johlten etwas halbherzig. Das war eine Art Running Gag in der Familie. Auf der Insel, die zu Massachusetts gehörte, war alle Welt für die Red Sox gewesen, und man lernte schnell, dass es eine gewaltige Provokation darstellte, sich dort mit Yankees- oder Mets-Fanartikeln sehen zu lassen. Umgekehrt war es genau das Gleiche, wenn man in New York beispielsweise eine Red-Sox-Kappe trug. Hugo und ich hatten uns nie sonderlich für Sport interessiert, Ben erstaunlicherweise aber schon, und so war auch mir die innige Feindschaft zwischen Boston und New York nicht verborgen geblieben. Auf der Insel hatte Ben immer sein Red-Sox-Trikot getragen, das

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