Nur 15 Sekunden
so.»
Inzwischen waren wir im fünften Stock und damit in der Nachrichtenredaktion angekommen. Als ich aus dem Aufzug trat, zitterte ich am ganzen Körper und betete inständig, dass er mir nicht folgen würde. Er blieb im Aufzug, doch ich spürte, wie sich sein Blick in meinen Rücken bohrte.
In der Redaktion herrschte die übliche Betriebsamkeit. Courtney war eifrig mit der Knochen-Story beschäftigt, sie hatte den Telefonhörer am Ohr und tippte energisch. Als sie mich sah, schob sie den Hörer ein wenig beiseite.
«Ich hänge in der Warteschleife. Alles klar bei dir?»
«Ich bin gerade mit unserem kleinen Freund nach oben gefahren und habe alles gemacht, was Jesus mir verboten hat.»
Das verschlug selbst ihr die Sprache. Ich ließ sie nicht lange zappeln. «Mein neuer Detective heißt Jesus Ramirez, aber alle nennen ihn Jess. Zu welchem Detective gehst du?»
«Ich gehe nicht zum Detective, nur zum Friseur.»
«Sei froh.»
«Und, was hat er gesagt?»
«Jede Menge Ratschläge, und dann gab es noch ein paar Formalitäten zu erledigen. Ich bin jetzt aktenkundig, damit man mich identifizieren kann, falls ich irgendwann tot im Fluss treibe.»
Courtney stellte den Anruf auf Raumton – blechernes Pausengedudel beschallte unseren Teil des Großraumbüros –, legte den Hörer auf den Tisch, stand auf und nahm mich in den Arm. Es war nur eine kurze Umarmung, dochsie tat mir gut. Dann war der Gesprächspartner auch schon in der Leitung, und Courtney wandte sich wieder der Arbeit zu.
Ich warf einen Blick in Elliots Büro, aber er war nicht da. Daraufhin setzte ich mich an den Schreibtisch, schloss mein Notebook an und schrieb eine Mail an Sara, um sie zu bitten, mir die Kiste zu schicken. Anschließend rief ich bei unserem Zahnarzt auf der Insel an und bat die Sprechstundenhilfe, mir Bens und meine Röntgenaufnahmen zu senden. Ich gab ihr meine Kreditkartennummer durch, damit mich die Aufnahmen am nächsten Tag per Kurier im Büro erreichen würden. Dann telefonierte ich mit dem Polizeirevier auf Martha’s Vineyard, fragte, ob sie Bens Fingerabdrücke eventuell noch irgendwo gespeichert hätten, und erhielt die beeindruckende Antwort, dass alles elektronisch erfasst sei, sie würden mir die Datei bis zum Abend mailen. Und schließlich zog ich das Stalking-Logbuch hervor, das Jess mir mitgegeben hatte, und machte den ersten Eintrag:
Montag, 11 Uhr: Ist mir in den Aufzug gefolgt, hat ununterbrochen auf mich eingeredet und mich erneut für kommenden Samstag zum Abendessen eingeladen
. Ich legte das Heft in die oberste Schreibtischschublade, um es bei Bedarf griffbereit zu haben; ich hatte das ungute Gefühl, dass ich es noch häufiger brauchen würde.
Dann öffnete ich endlich Abe Starkmans Umschlag.
Ich hatte gerade einen ersten Blick auf die Unterlagen geworfen, als Courtney mit ihrem Telefonat fertig war, also rief ich sie dazu. Sie rollte ihren Schreibtischstuhl neben meinen, und ich reichte ihr jede einzelne Seite, sobald ich damit durch war. Als wir alles gelesen hatten, wechselten wir aufgeregt einen Blick.
«Perlotti Industries, Song Song Direkttransporte … und wieder Metro Trucking», sagte Courtney.
«Interessant, nicht?» Die Firma Metro Trucking, die, wie wir bereits wussten, einem entfernten Verwandten von Tony T. gehörte, hatte die Knochen ins Lager gebracht, und zwar ohne die erforderlichen Unterlagen. Sie jetzt hier auf den mutmaßlich echten Verkaufsdokumenten wiederzufinden, untermauerte Abe Starkmans These, dass der eigentliche Verkäufer der Grundstücke Tony T. war, der sich hinter der Scheinfirma seines Cousins versteckte. Wahrscheinlich finanzierte er das ganze Unternehmen und hielt damit sämtliche Fäden in der Hand – so lief das normalerweise bei der Mafia. Zudem erhärtete es die These, dass Tony T. sich weiteren Einfluss gesichert hatte, indem er die Grundstücke unter Wert verkaufte.
«Ich muss gleich rüber zur Baubehörde», sagte Courtney, «um mir eine Kopie der Unterlagen zu holen, die Livingston & Sons als offizielle Verkaufsdokumente zu den Akten gegeben haben. Anschließend gehe ich mit meinem dortigen Kontaktmann essen. Den solltest du auch kennenlernen. Komm doch mit.»
«Gern, ich möchte nur erst mit Elliot reden, wenn er wiederkommt. Hast du ihn heute Morgen schon gesehen?»
«Vorhin war er mal da, aber dann ist er zu seiner Besprechung mit Paul Arschie gegangen.» Courtney schüttelte sich. «Du siehst, er zieht für dich in den Kampf. Elliot hält,
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