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Nur 15 Sekunden

Nur 15 Sekunden

Titel: Nur 15 Sekunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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dass sie sich wieder schloss.
    Mir wurde heiß und kalt, ich war verwirrt, zögerte, blieb stehen. Und dachte an Jess’ Ermahnung, Joe auf keinen Fall zu beachten. Das bezog sich sicher auch darauf, nicht mit ihm Aufzug zu fahren – mal abgesehen davon, dass ich wahrhaftig keinen Wert darauf legte, mit dem Kerl auf engstem Raum ohne jegliche Fluchtmöglichkeit festzusitzen. Joe schob seinen Postwagen in die hinterste Aufzugecke, als würde der mich am Einsteigen hindern.
    «Es ist Platz genug. Schade, dass ich dich gestern Abend nicht erreicht habe. Hast du was Schönes unternommen?»
    Wie ich ihn hasste! Er wusste doch ganz genau, dass ich am Abend zuvor zu Hause gewesen war. Wahrscheinlich hatte er mich sogar dort beobachtet. Ich schwieg.
    «Du kommst wahrscheinlich gerade von einem Interview zurück. Solche Morgentermine zerhacken einem immer den ganzen Tag, nicht wahr? Ich bin schon seit Punkt neun hier. Am Freitag bin ich etwas früher gegangen, da wollte ich Macs Geduld nicht gleich am Montag wieder strapazieren. Mac ist mein Chef. Netter Kerl. Ich habe überhaupt ein richtig gutes Gefühl bei der Stelle. Und nebenbei werde ich an meinem Schreibstil feilen. Ich kriege das sicher hin, und wenn es so weit ist, bewerbe ich mich um ein Praktikum. Vielleicht kannst du mir ja ein bisschen helfen. Vielleicht   …»
    Ich entfernte mich ein Stück, stellte mich vor einen anderen Aufzug und starrte auf dessen festverschlossene Tür. Die Leuchtanzeige darüber sagte mir, dass der Aufzug noch drei Stockwerke entfernt war.
    «Nächste Woche ziehe ich um.» Joe hielt immer noch die Tür seines Aufzugs auf und beugte sich in die Halle hinaus, um mich sehen zu können. «Ich hoffe, du hast Samstagabend Zeit. Hatte ich schon gesagt, dass du deinen Sohn mitbringen kannst?»
    Ich drehte ihm den Rücken zu. Die Eingangshalle war leer bis auf den Sicherheitsbeamten, der etwa fünf Meter weiter an seinem Tisch saß.
    Endlich kam der Aufzug. Ich stieg ein und spürte die Erleichterung, ihm entkommen zu sein – da hörte ich plötzlich Räder über den Boden der Eingangshalle rattern. Der Postwagen schob sich in die enge Kabine, gefolgt von Joe, auf dessen Stirn Schweißperlen glänzten.
    Was sollte ich tun? Ich stand ganz hinten in einer Ecke des Aufzugs, er hatte seinen Wagen in die andere geschoben und versperrte mir so den Weg nach draußen. Auf sein Gesicht zeichnete sich eine blinde Beharrlichkeit, eine merkwürdig krankhafte Form von Kummer. Und dann schaltetemein Instinkt den Verstand aus. Ich ignorierte alles, was Jess mir eingeschärft hatte. Ich saß fest in der stickigen Enge der Aufzugkabine, zusammen mit diesem Menschen, den ich mehr fürchtete als irgendjemanden sonst. Ignorieren half da nichts mehr.
    «Da haben wir ja doch alle Platz», sagte ich mit Blick auf den Postwagen.
    «Sicher. Ich fahre schließlich den ganzen Tag mit dem Karren und anderen Leuten Aufzug.» Sein Ton klang gezwungen beiläufig und wollte gar nicht zu seiner angespannten Miene passen. Ich fragte mich, wie ich ihn vor einer Woche noch süß hatte finden können. Nett, etwas nervend, aber harmlos. Selten hatte mich meine Wahrnehmung so sehr getrogen.
    «Joe.» Aus einem plötzlichen Impuls heraus sah ich ihn direkt an, fixierte sein merkwürdig schiefes, wie von Granitsplittern durchsetztes Auge. «Das muss aufhören, verstanden? Sie dürfen mir nicht mehr folgen, mich nicht mehr anrufen. Und ich will auch keine Geschenke von Ihnen. Das ist alles äußerst   … unangenehm für mich, ist Ihnen das eigentlich klar?»
    «Das braucht dir doch nicht
unangenehm
zu sein», sagte er und gab dem Wort einen ganz eigenen, verbitterten Unterton.
    «Ist es aber. Wir haben den gleichen Arbeitgeber. Da gibt es bestimmte Regeln.»
    «O nein, Darcy, das glaube ich nicht.» Jetzt lächelte er, suhlte sich förmlich in der Aufmerksamkeit, die ich ihm endlich entgegenbrachte. Er sog sie geradezu in sich auf, und sein Gesicht erstarrte zu einer grotesken Maske. Jedes meiner Worte, ob freundlich oder unfreundlich, schien das Monster in ihm zu nähren. Und ich begriff schlagartig, dass es ein Fehler gewesen war, mit ihm zu reden, dass ich vonAnfang an einen Fehler nach dem anderen gemacht hatte. «Ich bin überzeugt, dass wir richtig gute Freunde werden. Du wirst schon sehen. Das Abendessen, das ich am Samstag für euch kochen werde, wird dir sicher schmecken, ich kann ziemlich gut kochen. Ist dein Sohn heikel mit dem Essen? Bei mir war das früher

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