Nur 15 Sekunden
abgenommen, doch Paul war schon in der Mittagspause. Elliot versuchte herauszufinden, ob er bereits mit dem Mitarbeiter aus der Poststelle gesprochen habe, doch der Kollege am anderen Ende war nicht sehr auskunftsfreudig.
Elliot sah mich mit verlegenem Lächeln an. «Keine überstürzten Aktionen, das war das Lebensmotto meines Großvaters. Er hat sich immer geweigert, China zu verlassen, um hier bei uns zu wohnen. Er war fest davon überzeugt, dass esder Welt bessergehen würde, wenn mehr Menschen bleiben, wo sie sind.»
«Interessante Einstellung.»
«Ja, nicht? Tja. Wir sollten häufiger auf unsere Vorfahren hören. Tut mir leid, Darcy.»
«Noch ist nichts weiter passiert. Vielleicht hilft die Verfügung ja tatsächlich. Ich glaube sowieso nicht, dass es für solche Situationen allgemeingültige Regeln gibt. Das sind doch alles bloß Leitlinien. Übrigens, Elliot …» Ich schlug die Beine übereinander, beugte mich vor und wechselte das Thema. «… wir kommen mit der Knochen-Story gut voran. Ich habe weitere Informationen erhalten, Kopien der Unterlagen, die wir für die inoffiziellen Verkaufsdokumente des Grundstücks halten, auf dem die Knochen gefunden wurden.»
Mit dem Themenwechsel schien sich die Atmosphäre im Raum mit einem Schlag zu entspannen. Elliot wirkte erleichtert, dass ich ihm den Ausweg aus der schwierigen Situation gezeigt hatte. Und ich war es auch. Alles war besser und einfacher, als weiter über Joe nachzudenken.
«Hervorragend!»
«Courtney ist gerade bei der Baubehörde, um sich die offiziellen Dokumente zu holen. Wir haben noch einige Lauferei vor uns, bis wir diesen Teil der Geschichte in trockenen Tüchern haben.»
Elliot nickte.
«Es könnte eine hochexplosive Sache werden», sagte ich.
«Das ist es bereits.»
«Was hältst du von der Forderung, die Knochen identifizieren zu lassen?»
«Fragst du mich das jetzt persönlich? Ich finde, sie müssen identifiziert werden. Alles andere wäre ein Verbrechen.»
Ich musste lächeln. «Und die Zeitung? Was ist die offizielle Haltung dazu?»
«Das weiß ich auch noch nicht. Der Ball liegt jetzt bei Overly. Letztlich ist es seine Entscheidung, ob wir in der Frage eine offizielle Position vertreten. Wenn er will, kann er der ganzen Sache das Wasser abgraben, ich glaube aber nicht, dass er das tun wird. Es würde das Vorurteil bestätigen, dass er doch mehr Geschäftsmann als Reporter ist. Und das will er um jeden Preis vermeiden. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, er genießt es, die hohen Tiere von der Stadtverwaltung gegen sich aufzubringen. Das gibt ihm den nötigen Schwung, den er für den Ausbau seines Imperiums braucht.»
Wir lachten beide. Dann schaute Elliot auf die Uhr, stützte sich mit den Handflächen auf den Schreibtisch und erhob sich. «Gut, Darcy. War’s das für den Augenblick?»
«Ja, klar. Vielen Dank nochmal, Elliot.»
«Ich bin schon spät dran für meine Mittagsbesprechung. Halt mich auf dem Laufenden. Mit allem.»
«Mach ich.»
Als ich Elliots Büro verließ und den Redaktionsraum durchquerte, knurrte mir der Magen. Ich würde nur kurz meine Mails checken und mir dann mein übliches Mittagessen holen, ein Thunfisch-Sandwich und einen Grapefruitsaft.
Doch als ich mich meinem Schreibtisch näherte, kam mir irgendetwas seltsam vor. Einen Moment brauchte ich, bis ich es sah. Oder besser gesagt: Ich sah es nicht. Mein Notebook war verschwunden. Ich suchte den ganzen Schreibtisch ab, schaute in alle Schubladen, in meine Tasche, doch es war nirgends zu finden.
«Hast du zufällig gesehen, ob irgendwer mein Notebook genommen hat?», fragte ich Stan, den Kollegen, der neben Courtney am nächsten bei meinem Schreibtisch saß.
Stan war über seine Tastatur gebeugt und wandte mir solangsam den Kopf zu wie eine Schildkröte, die man aus dem Schlaf gerissen hat. Sein lockiges, graumeliertes Haar wirkte ungekämmt, unter den Augen lagen dunkle Ringe. Seine Frau hatte vor zwei Monaten Zwillinge zur Welt gebracht, ihre ersten Kinder, und Stan stand noch sichtlich unter dem Schock der tiefgreifenden Veränderungen, die das Elternwerden für ein Paar mit sich bringt. «Ich bin gerade erst gekommen», sagte er. «Ist es weg?»
«Ja.»
Es waren noch ein paar andere Reporter im Raum, die auf ihre Bildschirme starrten oder telefonierten. Ich unterbrach jeden Einzelnen bei der Arbeit, doch keiner hatte etwas bemerkt.
Elliot war bereits gegangen. Ich griff zum Telefon, rief den Sicherheitsdienst an und gab die
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