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Nur 15 Sekunden

Nur 15 Sekunden

Titel: Nur 15 Sekunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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was er verspricht. Das ist mit ein Grund, warum ich so gern für ihn arbeite.»
    Auch ich mochte Elliot und spürte, dass er alles versuchte, in meinem Interesse zu handeln. Dennoch war ich besorgt, wie Paul Ardsley auf die Mitteilung reagieren würde, dass ich das Problem mit meinem Besuch bei der Polizei bereits nach außen getragen hatte, ohne ihm vorher die Möglichkeit zu geben, es intern zu regeln. Ich fragte mich, ob er Joe tatsächlich feuern würde.
    Um Viertel vor zwölf war Elliot immer noch nicht zurück. Courtney fing an, ihre Sachen zu packen, um zur Baubehörde aufzubrechen.
    «Geh einfach ohne mich», sagte ich. «Es ist ohnehin Ressourcenverschwendung, wenn wir da beide aufkreuzen.»
    «Stimmt. Andererseits sehen vier Augen grundsätzlich mehr als zwei.»
    «Ich muss einfach auf Elliot warten.»
    «Schon klar. Mach dir keine Gedanken. Wenn ich fertig bin, komme ich wieder hierher und erzähle dir, was ich rausgefunden habe. Und in der Zwischenzeit erzählst du Elliot von den Verkaufsdokumenten deines Informanten, das wird ihn zuversichtlich stimmen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.»
    «Mach ich. Viel Spaß.»
    «Oh, den habe ich sicher. Ich stehe total auf die Baubehörde.» Courtney verdrehte theatralisch die Augen, hängte sich ihre grüne Ledertasche um und stolzierte aus der Redaktion.
    Während ich auf Elliot wartete, dachte ich darüber nach, wie sich Abe Starkmans Unterlagen über den Grundstücksverkauf am besten nutzen ließen. Wir mussten alles ganz genau überprüfen, jeder Spur nachgehen, um zu sehen, wo sie ihren Ursprung hatte. Stück für Stück würden wir die einzelnen Puzzleteile zusammenfügen, bis sich das fertige Bild zu erkennen gab. Abe Starkman hatte uns mit den Hinweisen auf die Knochen und den Unterlagen die Richtung vorgegeben. Und unterdessen erhob sich unter den Bürgerrechtlern die lautstarke Forderung, die Knochen unbedingt identifizieren zu lassen.
    Ich googelte verschiedene Stichwörter und klinkte mich in diverse Diskussionsforen ein, mit denen die Öffentlichkeit auf die beiden bisherigen Artikel reagierte. Die Geschichtehatte sich im Internet bereits wie ein Lauffeuer verbreitet, und was ich las, bestätigte mir, wie wichtig die Identifizierung der Toten genommen wurde. Die meisten Blogger und ihre Leser waren offenbar schon so resigniert, dass sie ganz selbstverständlich von unlauteren Absprachen zwischen den Bauträgern und der Regierung ausgingen. Nicht einmal die Frage, inwiefern die Mafia ihre Finger im Spiel hatte, schien die Menschen wirklich zu bewegen. Das alles rief zwar Entrüstung hervor, aber man schien durchweg bereit zu sein, die Lösung solcher Probleme den Fachleuten zu überlassen. Doch die Identifizierung der Toten, das trieb die Menschen um. Allein zu sterben, ohne dass jemand davon erfuhr, war die Urangst eines jeden, das zeigten die Reaktionen auf unsere Artikel mehr als deutlich. Die Leute wollten Gewissheit. Und ich war ganz auf ihrer Seite.
    Plötzlich bahnte sich etwas aus den Tiefen der Erinnerung den Weg an die Oberfläche meines Bewusstseins. Etwas, das mein Vater einmal zu meiner Mutter gesagt hatte, während ich hinter den beiden durch das Einkaufszentrum unseres Viertels trottete. Ich war vielleicht sechs oder sieben Jahre alt und verstand nicht recht, worüber sie sprachen, doch der Ton meines Vaters hatte mich aufhorchen lassen und den Moment in der Erinnerung lebendig gehalten. Mit seinem klangvollen deutschen Akzent sagte er zu meiner Mutter: «All diese Gesichter, Eva. Lauter Fremde, die wir nicht kennen. Und doch hat jeder eine einzigartige Seele, und jeder verfolgt einen Sinn in seinem Leben, genau wie wir. Genau das habe ich damals auch in den Gesichtern der Toten gesehen, die ich begraben musste. Es waren so viele. Damals begriff ich es noch nicht, aber jetzt ist mir alles klargeworden. Es waren Fremde, und doch kannte ich sie. Sie waren Menschen und wurden doch einfach so verscharrt, jede Erinnerung an sie ausgelöscht. Wie Gegenstände, die nicht mehr gebraucht werden. Ein Haufen Menschen. Und wir, die wir überlebt haben, wir haben sie im Stich gelassen. Ich kann es nicht ändern, Eva. Ihre Gesichter verfolgen mich.» Meine Mutter hatte ihm die Hand gedrückt und ihn besorgt gemustert. Und wir gingen weiter, die beiden vorneweg, ich hinterher, wie immer. Ein Dreiergrüppchen, das nur noch zwei weitere Jahre bestehen sollte, bevor wir uns als einsames Mutter-Tochter-Duo durchschlagen mussten.
    Als Elliot schließlich

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