Nur dein Leben
die Probe gestellt werden. Eine E-Mail seines Meisters Harald Gatward hatte ihm befohlen, noch abzuwarten, sich noch sorgfältiger vorzubereiten und auszuharren, bis der richtige Zeitpunkt gekommen war. Augenblicklich, so habe Gott gewarnt, drohe Gefahr.
Ich unterweise dich und zeige dir den Weg, den du gehen sollst. Ich will dir raten; über dir wacht mein Auge. Psalm 32 : 8 .
Der Apostel nahm das Nachtsichtgerät ab. Er lauschte den Geräuschen der Nacht, dem Wind, der im Wintergras rauschte, einem quietschenden Tor und dem fernen Rattern eines Zuges. Er spürte den Regen im Gesicht und die feuchte Kälte, die ihm in die Knochen kroch, doch sein Herz loderte. Dr. und Mrs. Klaesson und ihre Brut waren innerhalb der Mauern dieses kleinen Gebäudes.
Wenn der Befehl kam, wäre er längst schon wieder in den Armen Laras und des Herrn, ehe man auch nur ihre Leichen entdeckt hätte.
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Von:
Kalle Almtorp, Schwedische Botschaft, Kuala Lumpur, Malaysia
An:
John Klaesson bklaesson @ morleypark.org
Betreff:
Apostel
John,
ich hoffe, es geht Dir gut und Du kommst einigermaßen mit dem schrecklichen britischen Klima zurecht! Das Leben hier in Malaysia ist gut, obwohl es eine Weile gedauert hat, sich einzugewöhnen. Wie läuft es bei Dir so? Wie geht es Naomi? Und Luke und Phoebe?
Möglicherweise habe ich gute Nachrichten für Dich. Meine Kontaktperson beim FBI hat mir (streng vertraulich!) mitgeteilt, dass es inzwischen eine Spur zu diesen Aposteln des Dritten Jahrtausends gibt. Noch stehen die Ermittler ganz am Anfang, aber (und bitte, gib diese Information nicht weiter) einige Hinweise deuten auf eine fundamentalistisch-christliche Sekte hin, die sich an einen entlegenen Ort in Südeuropa zurückgezogen hat. Man vermutet, dass sie von dem Sohn einer der reichsten Familien Amerikas finanziert wird, aber soweit ich weiß, sind die Beweise dafür bisher dürftig.
Sobald ich mehr in Erfahrung gebracht habe, melde ich mich wieder. Bis dahin würde ich mich freuen, von Dir zu hören. Es ist beängstigend, wie die Zeit vergeht! Vor wie vielen Jahren haben wir uns zuletzt gesehen?
Hälsningar!
Kalle
John reckte die geballte Faust in die Luft. »Ja!!!«
Dann zog er mit den Zähnen die letzte Olive vom Cocktailspießchen und leerte seinen Martini.
Regen spritzte an das Fenster vor seinem Schreibtisch. Es war eine richtig scheußliche Nacht, und der Wind schien noch aufzufrischen. Das waren gute Neuigkeiten! Sie würden diese Scheißkerle kriegen. Und dann wären sie endlich in Sicherheit.
Nach den düsteren Aussagen von Dr. Michaelides, die vor etwa einer halben Stunde gefahren war, konnte er eine Aufmunterung gut gebrauchen.
Er kippte das Cocktailglas und ließ sich die letzten Tropfen in die Kehle rinnen. Dann holte ihn die Realität wieder ein. Oh Gott, was sollten sie denn jetzt tun?
Warten. Warten, bis sich die Psychologin wieder bei ihnen meldete. Mehr konnten sie nicht tun.
Mit der Absicht, Naomi aufzumuntern, ging er in die Küche und überbrachte ihr die guten Nachrichten von Kalle Almtorp. Er hübschte sie noch ein bisschen auf und behauptete, das FBI stehe nur wenige Tage vor den ersten Verhaftungen. Sie würden die ganze verdammte Sekte aufrollen.
In nur wenigen Tagen wären sie diese Sorge los!
Doch Naomi hatte keinen extra großen Martini getrunken, sondern war stocknüchtern. Sie teilte seine Freude und seinen alkoholbeschwingten Optimismus in keiner Weise.
Sie erwiderte ihm, das Leben sei Scheiße.
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SHEILA MICHAELIDES EILTE zu ihrem viktorianischen Reihenhaus im Zentrum Brightons. Ihr winziger Regenschirm war machtlos gegen den stürmischen Wind und den Regen, und bis sie die schützende Diele erreicht hatte, war sie nass bis auf die Knochen. Sie zog trockene Jeans und einen Pulli an, kochte sich eine Tasse Kaffee, holte einen fertigen Thunfischsalat von Marks & Spencer aus dem Kühlschrank, trug beides auf einem Tablett hinauf in ihr kleines Büro, setzte sich an ihren Schreibtisch und startete ihren Computer.
Ihre Gedanken mahlten, während sie mit der Gabel in die Nudeln stach, und ihr Magen verkrampfte sich vor Besorgnis.
Ich habe den ganzen Tag noch nichts gegessen, ich muss etwas essen!
Sie kaute langsam, kämpfte mit jedem Bissen und zwang sich zu schlucken, obwohl ihre Kehle trocken und wie zugeschnürt war. Regen rann das Fenster hinunter und in der Dunkelheit konnte sie gerade so die Umrisse des Nachbarhauses jenseits ihres Gartens erkennen.
Abrupt stand sie auf, lehnte sich
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