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Nur dein Leben

Nur dein Leben

Titel: Nur dein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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mit einem Rad auf dem Bürgersteig ab, kämpfte beim Öffnen der Fahrertür gegen den starken Wind und steckte sich im letzten Moment noch schnell ein Kaugummi in den Mund, um ihre Alkoholfahne zu überdecken. Sie mochte es nicht, zu spät zu kommen – Pünktlichkeit war eine der schwedischen Eigenschaften Johns, die auf sie abgefärbt hatten.
    Sie hätte nichts trinken sollen, weil sie noch fahren musste, aber
hey
, dachte sie,
in den letzten zwei Jahren, schon lange vor der Geburt von Phoebe und Luke, habe ich kein Leben mehr gehabt. Jetzt, wo sie ein bisschen älter werden, habe ich ja wohl das Recht, mich wieder ein bisschen zu amüsieren. Und schließlich waren es nur zwei Gläser zum Essen, innerhalb von zwei Stunden. Nicht gerade ausschweifend.
    Auf dem Weg zum Haus herrschte ein Chaos von peitschendem Regen, eiligen Müttern, verwirrten Kindern und verhedderten Regenschirmen. Naomi murmelte einigen Bekannten ein rasches Hallo zu, drängte sich durch die Menge, den Kopf gegen den Wind gebeugt, und schaffte es schließlich ins schützende Gebäude.
    An den Wänden in der Diele hingen bunt durcheinander Kinderzeichnungen sowie eine Reihe eingerahmter Zertifikate. Naomi quetschte sich an einer Gruppe von Müttern vorbei, die versuchten, ihren Kindern die Mäntel anzuziehen und trat durch die offene Tür in das Hauptspielzimmer. Ein winzig kleines Mädchen mit Kopfhörern auf den Ohren sprang auf dem mitgenommenen Sofa herum. Ein anderes Mädchen saß an einem Tisch und spielte in sich versunken mit Plastikkrabbeltieren und prähistorischen Ungeheuern. Zwei kleine Jungs, einer mit einem grünen Bauarbeiterhelm, der andere mit einer umgedrehten Baseballkappe auf dem Kopf, schoben Fahrzeuge in ein mehrstöckiges Parkhaus auf dem Boden.
    Keine Spur von Luke oder Phoebe.
    Als sie sich zurück in die überfüllte Diele drängte, entdeckte Naomi eine der Mütter, die sie schon früher kennengelernt hatte und die sehr freundlich zu ihr gewesen war. Sie packte gerade ihren kleinen Sohn Nico in einen roten Mantel ein.
    »Hallo, Lucy!«, grüßte Naomi. »So ein Mistwetter, dabei ist doch der September normalerweise …«
    Die Frau, die einen Regenhut und einen durchnässten Regenmantel trug, antwortete mit einem knappen Nicken und zerrte dann ihr Kind zur Tür hinaus. Bevor Naomi reagieren konnte, wurde sie von der Leiterin der Gruppe angesprochen, Pat Barley. Sie war eine rundliche, fröhlich aussehende Frau mit Topfschnittfrisur, mehrere Zentimeter kleiner als Naomi.
    »Hallo, Mrs. Klaesson«, grüßte sie. »Könnte ich Sie vielleicht einen Moment sprechen?«
    »Ja, natürlich«, antwortete Naomi, ein wenig überrascht von Mrs. Barleys ernstem, förmlichem Tonfall. »Wo sind denn Phoebe und Luke?«
    Mrs. Barley sah sie verlegen an, antwortete: »Im kleinen Spielzimmer, dort entlang bitte«, und zeigte zu einem anderen Durchgang.
    Naomi spähte hinein. Luke und Phoebe saßen Seite an Seite auf einer Couch, stumm und starr, vollkommen ausdruckslos.
    »Hallo, Luke, mein Schatz, hallo, Phoebe, mein Schatz«, sagte sie.
    Die beiden ignorierten sie.
    Naomi wechselte einen Blick mit Pat Barley, die ihr bedeutete, ihr zu folgen.
    Sie gingen in die Küche, wo ein langer Tisch mit farbbekleckstem Papier, Styroporbechern mit Farbe und plumpen kleinen, bemalten und mit Glitzer verzierten Salzteigfiguren bedeckt war. Eine Helferin wischte einem kleinen Mädchen mit blauer Plastikschürze leuchtend rote und gelbe Farbstriche aus dem Gesicht.
    »Es ist mir sehr unangenehm, Mrs. Klaesson«, begann Pat Barley. Sie rang die Hände und starrte ausweichend hinunter auf den Boden. »Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Aber ich befürchte, es hat Beschwerden gegeben.«
    »Beschwerden?« Mit einem Schlag verpuffte Naomis gute Laune.
    »Ja, tut mir leid.« Pat Barley schien Wasser aus ihren Händen wringen zu wollen. »Wissen Sie, mein Problem ist, dass die Eltern heutzutage so empfindlich sind. Sie dürfen das bitte nicht persönlich nehmen …« Sie zögerte. »Du meine Güte, ich weiß wirklich nicht, wie ich Ihnen das beibringen soll. Ich weiß, dass Sie hier neu zugezogen sind und wir wirklich alles tun sollten, um Sie hier willkommen zu heißen. Aber das Problem ist, dass nicht nur – na ja – ein, zwei Beschwerden gekommen sind, sondern gleich ein halbes Dutzend.«
    »Wegen Phoebe und Luke?«
    »Ja.«
    »Welche Art von Beschwerden?«
    Mrs. Barley sagte lange nichts. Die Helferin, eine hochgewachsene, dünne Person mit

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