Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu:
nachdenklicher Miene den Kopf schüttelte.
»Das muss ziemlich schlimm gewesen sein, Elise. Was hast du dann gemacht?«
»Ich bin einfach weggelaufen. So schnell ich konnte.«
»Und Jocke?«
»Ja, was sollte er machen. Er ist dageblieben.«
»Was um alles in der Welt war denn das?«, wunderte sich Hamad, nachdem sie Elise verlassen hatten und auf dem Rückweg zur Polizeiwache waren.
»Das war tatsächlich eine seltsame Geschichte«, pflichtete ihm Sjöberg bei.
»Aber stimmt sie auch?«
»Ich glaube, dass sie diesmal die Wahrheit gesagt hat. Sie hat es schließlich ganz spontan erzählt, wenn man es so ausdrücken möchte«, antwortete Sjöberg mit einem vielsagenden Lächeln.
»Tja. Warte nur ab, bis deine Kinder in dieses Alter kommen.«
»Um Gottes willen.«
»Aber warum hat er das gesagt? ›Ich dachte, du wärst tot.‹ Was soll das eigentlich bedeuten?«
»Das kann bedeuten, dass er Elise wiedererkannt und geglaubt hat, dass sie ermordet worden ist. Dann müssen wir uns die Frage stellen: Warum kennt er Elise? Es kann bedeuten, dass er Jennifer kennt, weiß, dass sie tot ist, Elise begegnet und glaubt, dass sie Jennifer ist. Woher kennt er dann Jennifer? Glaubst du, dass Joakim die beiden einander vorgestellt hat? Kaum vorstellbar. Wie wir es auch drehen und wenden«, fasste Sjöberg zusammen, »landen wir bei zwei Schlussfolgerungen. Erstens: Er hat eines der Mädchen früher schon einmal gesehen oder sogar beide. Zweitens: Er findet, dass Jennifer und Elise sich sehr ähnlich sehen. So ähnlich, dass er sie nicht voneinander unterscheiden kann.«
»Das ist mal ein neuer Gedanke«, sagte Hamad.
»Er könnte irgendwann Joakim zusammen mit Jennifer gesehen haben. Von Weitem vielleicht. Und dann läuft er dort im Treppenhaus Elise über den Weg. Elise erinnert ihn an das einzige Mädchen, mit dem Joakim jemals zusammen war – Jennifer –, und dann gibt er diesen Satz von sich. Voller Verachtung, weil er ihre Beziehung verurteilt hat. Das wissen wir, weil er Joakim am Abend zuvor aus genau diesem Grund misshandelt hat.«
»Er scheint ein zutiefst unangenehmer Mensch zu sein, dieser Vater von Joakim«, bemerkte Hamad.
Sjöberg konnte dem nur zustimmen, und sie gingen eine Weile nebeneinander her und hingen ihren eigenen Gedanken nach. Als sie den Wendehammer vor der Polizeiwache erreicht hatten, sagte Hamad:
»Ich habe noch eine andere Idee.«
Er blieb stehen, und Sjöberg tat es ihm nach.
»Was, wenn Joakims Vater auch mit auf der Fähre war?«
»Wäre uns das nicht aufgefallen?«, überlegte Sjöberg.
»Wie denn? Wir starren wie gelähmt darauf, wie sie heißen, mit wem sie die Kabine geteilt haben und so weiter, aber ich jedenfalls habe nicht darauf geachtet, ob es einen weiteren Passagier gab, der dieselbe Adresse hat wie Joakim.«
»Joakim hätte doch etwas gesagt.«
»Vielleicht hat er es selber nicht gewusst?«
»Sie wären sich begegnet«, sagte Sjöberg. »Der Sinn der Übung hätte ja darin bestanden, Joakim zur Rede zu stellen, weil er gefahren ist, obwohl er es ihm verboten hatte.«
»Der Zweck der Reise kann ebenso gut darin bestanden haben, Jennifer umzubringen.«
»In dem Fall stellt sich aber die Frage, warum?«
»Weil er ein kranker Typ ist, der nicht ertragen kann, dass man ihm widerspricht.«
»Tja, krank ist er wohl«, bemerkte Sjöberg. »Er misshandelt seinen vierundzwanzigjährigen Sohn, den er darüber hinaus in einer Art Gefangenschaft hält, indem er ihn seine abnorm fette Mutter pflegen lässt. Außerdem schlafen die beiden im selben Bett …«
»Wer schläft im selben Bett?«, fragte Hamad.
»Vater und Sohn.«
»Sie schlafen zusammen? Im selben Bett, oder was?«
»Im selben Bett. In einem Einzelbett sogar.«
»Du machst Witze. Warum hast du nichts gesagt?«
»Das mache ich ja jetzt. Wir hatten wichtigere Dinge miteinander zu besprechen, oder?«
»Aber das ist doch wohl wichtig! Ganz plötzlich spielt Joakims Vater eine wichtige Rolle in den Ermittlungen!«
»Jamal, ich erzähle es dir erst jetzt, weil er ins Licht des Interesses gerückt ist. Es gibt doch keinen Anlass, auf so wackeliger Grundlage über solche sensiblen Dinge wie Inzest zu spekulieren.«
»Du hast es gesagt, Conny. Du hast Inzest gesagt, also hast du auch Inzest gedacht.«
»Der Junge ist vierundzwanzig Jahre alt, Jamal. Was soll ich tun? Ermittlungen wegen Inzestverdachts im Zusammenhang mit einem vierundzwanzigjährigen Mann veranlassen? Joakim hätte es selber anzeigen können,
Weitere Kostenlose Bücher